Eine Legierung aus fünf Metallen

Forscher aus Leoben und den USA haben eine exotische Legierung untersucht. Dabei fanden sie einige überraschende Materialeigenschaften.

Metalle als Werkstoff spielen nicht erst seit der Industrialisierung eine zentrale Rolle für die Menschheit. Schon in vorgeschichtlicher Zeit löste der Einsatz immer besserer Metalle so große Veränderungen aus, dass die zugehörigen Epochen nach diesen benannt wurden: Bronzezeit, Eisenzeit.

Dabei sind Metalle in ihrer Reinform meist keine idealen Werkstoffe. Bronze etwa ist viel belastbarer als seine Einzelkomponenten Kupfer und Zinn, und Eisen wird erst durch den Zusatz von Kohlenstoff zu Stahl. Üblicherweise übernimmt dabei ein Metall die Rolle einer Trägersubstanz, in deren Gitterstruktur das andere Material integriert wird.

Eine Gruppe von Forschern um Anton Hohenwarter von der Montan-Uni Leoben und Bernd Gludovatz vom Berkeley National Laboratory in den USA hat nun eine Legierung erforscht, die völlig anders aufgebaut ist und dabei einige überraschende und möglicherweise nützliche Eigenschaften aufweist. Die Rede ist von einer sogenannten Hoch-Entropie-Legierung aus nicht weniger als fünf verschiedenen Metallen zu gleichen Anteilen: Kobalt, Chrom, Eisen, Mangan und Nickel haben alle eine unterschiedliche Kristallstruktur. Das Unerwartete dabei: Wenn die Elemente sehr gut durchmischt sind, also eine sehr hohe Unordnung aufweisen – das bedeutet vereinfacht formuliert der Zusatz Hoch-Entropie –, dann formieren sie sich in einer einzigen einheitlichen Gitterstruktur.

Verformbarkeit nimmt zu

Das Material ist eigentlich seit zehn Jahren bekannt, doch bisher hat niemand seine mechanischen Eigenschaften untersucht. Und die sind überraschend: Normalerweise würde man erwarten, dass Metalle bei tiefen Temperaturen spröde werden. Die Verformbarkeit nimmt aber bei tiefen Temperaturen zu, genauso wie die Festigkeit an sich und die Bruchzähigkeit, eine Messgröße, die angibt, wie leicht sich Risse ausbreiten. „Eigentlich könnte man erwarten, dass so ein Material aus mehreren Phasen mit unterschiedlichen Kristallstrukturen besteht“, sagt Hohenwarter. „Das ist hier nicht der Fall, die Atome bilden ein einheitliches sogenanntes kubisch-flächenzentriertes Gitter.“

Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen, wo die Reinelemente im Vakuum miteinander verschmolzen werden. Mehrmaliges Erhitzen sorgt für gute Durchmischung. Seine günstigsten Eigenschaften hat die neue Legierung bei etwa minus 200 Grad Celsius. Damit eignet sich das Material für bestimmte Anwendungen bei tiefen Temperaturen, etwa Flüssiggastanks.

Die Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten Journal „Science“ publiziert. Und die Forscher sehen noch weiteres Entwicklungspotenzial: Wie bei klassischen Legierungen könnten in das Material weitere Phasen, etwa Teilchen oder Ausscheidungen, eingebaut und so die Eigenschaften weiter verändert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2014)

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