Wieso schmeckt der Wein nach Pferdeschweiß und Ziegenbock?

(c) BilderBox (Erwin Wodicka)
  • Drucken

Wenn Wein lagert und altert, können sich unerwünschte Aromen bilden.

Eigenartigerweise haben viele der tertiären Aromen tierische Bezeichnungen“, berichtet Reinhard Eder vom Bundesamt für Wein- und Obstbau: „Ziegenbock, Pferdeschweiß und Mäuse-Urin sind nur einige davon.“ Er selbst nahm schon einmal im Prater eine Nasenprobe von Pferdeschweiß, um es mit dem zu vergleichen, was beim Wein als solcher bezeichnet wird. „Früher hatte wohl jeder Betrieb Ziegen und Pferde, daher die Bezeichnungen“, mutmaßt Eder. Sein Labor in Klosterneuburg forscht jedenfalls an der Chemie, die hinter den Aromen steckt. Das „Pferdeschweiß“-Aroma kommt von einer Hefeart, die in Holzfässern und einer alkoholischen Umgebung besonders gut gedeiht: Brettanomyces. Mit Gas-Chromatografie und Massenspektrometrie suchen die Forscher nach den Stoffwechselprodukten der Hefe, die dem Wein diesen Geruch verleiht. „Teilweise kommt Brettanomyces schon auf der Traube vor, verbreitet sich durch die Luft oder beim Umpumpen von Fass zu Fass“, so Eder. Ist ein Fass erst befallen, hilft nur noch Dampfreinigung oder biologisches Desinfektionsmittel gegen den Verursacher des unerwünschten tertiären Aromas.

Traube, Gärung, Alterung

Die Definition „tertiäre Aromen“ ergibt sich aus der Gliederung, dass primäre Aromen von der Traube selbst und sekundäre Aromen von der Gärung kommen und im normalen Prozess vorgesehen sind. Alles, was bei der Alterung und Lagerung entsteht, fällt unter tertiäre Aromen. Das können auch unerwünschte Veränderungen sein. Bekanntestes Beispiel ist wohl, wenn ein Wein „korkt“. „Früher reichte es, wenn ein Wein halbwegs trinkbar war. Aber mit immer besser geschulten Konsumenten werden immer geringere Mengen an Aromastoffen herausgeschmeckt“, berichtet Eder. So erkennt der Normalkonsument Korkgeschmack ab zwei bis drei Nanogramm pro Liter: „Das ist, wie wenn man eine Zündholzspitze im Neusiedler See löst.“

„Unsere Forschungen gehen nun dahin zu erkennen, wo der Korkgeschmack herkommt“, erklärt Eder. Im Prinzip ist es ein Schimmel am Kork, der die Aromastoffe verursacht. Dass ein Wein „korkt“, ist aber oft eine falsche Schuldzuweisung, denn der Schimmel kann schon viel früher hineingerutscht sein. „In unseren Analysen wollen wir den Unterschied herausfinden, ob der Schimmel schon an der Traube war oder erst im Keller dazugekommen ist“, so Eder. Die Technik, um den Kork- und Schimmelfehler aus dem Wein herauszubekommen, ist weit fortgeschritten. Dabei haben sich die Weinforscher moderne Technologien der Pharmaindustrie abgeschaut. „Neuroblocker funktionieren so, dass man anhand von Molekül-Design Filter erstellt, die auf die exakte 3-D-Struktur bestimmter Moleküle ansprechen und diese herausfiltern“, erklärt Eder. Genauso konnte mit der Firma Filtrox in der Schweiz eine Filterschicht designt werden, die die 3-D-Form der Schimmelverbindungen erkennt und somit zielgenau die störenden Substanzen aus dem Wein abfiltert.

Für eine andere unerwünschte Note, die fast nur Weißweine betrifft, konnte von den Forschern auch „der Schuldige“ gefunden werden: „Bei Trockenstress bilden die Trauben Aminosäuren, die dem Wein eine untypische Alterungsnote verleihen.“ Dies betrifft ein Prozent der österreichischen Qualitätsweine. Als Vorbeugemaßnahmen gegen die „untypische Alterung“, die laut Eder wie Pissoirsteine oder wie Bodenwachs riecht, rät er zur Bewässerung des Weingartens.

Die Alterungsnote hat ausnahmsweise keine tierische Bezeichnung, ganz im Gegensatz zum „Böckser“, das von Ziegenbock kommt. „Dabei handelt es sich um eine Schwefelverbindung, die durch schlechte Gärung und Hygiene entsteht und nach faulen Eiern riecht“, erklärt Eder. Die Problematik betrifft hauptsächlich Grünen Veltliner und tritt bei schlecht genährten Trauben auf. „Die Dosis macht das Gift“, meint Eder. Geringe Mengen der Substanz sind für den Wein gut, jedoch manche Sorten mit zu viel der Schwefelverbindung können kippen und „zum Ziegenbock“ werden.

Hühner als Gärtner

Das Weingut Stift Klosterneuburg setzte heuer erstmals Hühner als biologische Maßnahme gegen Gräser und Insekten ein. Beikräuter sind im Weingarten zwar wichtig, sollen aber wegen Nährstoffkonkurrenz nicht übermäßig wachsen. Die Hühner halten Beikräuter niedrig, lockern den Boden durch Scharren und Kratzen auf natürliche Weise und liefern zudem regelmäßig Dünger. Allein der Hahn wurde zum Problem: nämlich zu einer Lärmbelastung der Anrainer. Darum soll nächstes Jahr das Projekt zwar weitergeführt werden, jedoch mit einem leisen Hahn. [Stift Klosterneuburg]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.