„Bridgmanit“: 38 Prozent der Erde haben endlich einen Namen

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38 Prozent der Erde bestehen aus etwas, das bisher keinen Namen hatte, weil man seine Struktur nicht kannte. Nun kennt man sie – von einem Asteroiden.

Wie die Erde geschichtet ist, weiß man durch seismische Studien: Ganz innen hat sie einen festen Eisenkern, umgeben von flüssigem Eisen, es folgt der untere Mantel, ganz außen dann der obere. Man kennt auch die chemische Zusammensetzung. Der untere Mantel etwa – er reicht von 2600 Kilometern Tiefe bis 660 Kilometer und macht 38 Prozent des Volumens der Erde aus – besteht vor allem aus Magnesium- und Eisensilikaten, (Mg,Fe)SiO3. Aber in welcher Struktur die Atome angeordnet sind, wusste man bisher nicht, und deshalb hatten diese 38 Prozent der Erde bisher auch keinen Namen.

So will es die Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) der International Mineralogical Association, die seit 1959 für Ordnung im Reich der Gesteinsnamen sorgt, vorher herrschte verwirrende Willkür. Zwar hatte schon Linné ein ähnliches System wie im Reich des Lebens vorgeschlagen, aber damit setzte er sich nicht durch, erst im 20. Jahrhundert ging man an die Vereinheitlichung und seit 1959 endet jedes Mineral auf „-ite“ bzw. „-it“. Die exakte Beschreibung muss der CNMNC vorgelegt werden und wird von ihr publiziert, pro Monat kommen etwa zehn neue dazu. Und nun hat endlich auch das Kind im unteren Erdmantel einen Namen: „Bridgmanit“.

Ehre für Hochdruckphysiker

Der erinnert an den Physiker Percy Bridgman (1882–1961), der 1946 den Nobelpreis „für die Erfindung eines Apparats zur Erzeugung extrem hohen Drucks“ erhielt. Damit konnte auch im Labor simuliert werden, was etwa tief in der Erde vor sich geht. Aber was im Labor entsteht, ist noch lange kein Mineral, es muss sich schon in der Natur finden. Und in der irdischen hat sich bisher keines gezeigt. Zwar kommt mit Vulkanen vieles nach oben, aber dabei verändert es seine Struktur. Bisher kennt man nur eine Ausnahme, Ringwoodit, es kam aus 600 Kilometern Tiefe als Einschluss in einem Diamanten und bezeugte, dass es dort unten Wasser gibt.

Aber aus dem unteren Erdmantel ist noch nichts unverändert nach oben gelangt, man muss anderswo suchen. Kandidaten sind Himmelskörper, auf denen einmal für kurze Zeit so enorme Temperaturen und Drücke herrschten, wie es sie tief im Inneren der Erde gibt: Asteroiden, die durch einschlagende Himmelskörper aus ihren „Eltern“ – Meteoriten – herausgeschlagen wurden, mit einem Druck von mehr als 25 Megapascal und Temperaturen von über 2500 Grad Kelvin.

In einem hat Oliver Tschauner (University of Nevada) nun das Mineral des unteren Erdmantels gefunden und analysiert (Science 346, S. 1100): Anders als in chemisch gleichem Gestein von weiter oben ist das Silizium nicht in Tetraedern angeordnet, sondern in Oktaedern. Das und den Namensvorschlag reichte Tschauner bei der CNMNC ein, die akzeptierte. Sie ordnete es in ihr internes System ein – „Specimen IMA 2014-017“ – und sprach Bridgman die verdiente Ehre zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2014)

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