Geologie: Als „göttliche Winde“ Japan zu Hilfe eilten

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Die Invasionen durch die Mongolen wurden durch zwei extreme Taifune verhindert, die Japaner nannten die zum Dank „Kamikaze“. Bestätigung für diese Legende fand sich nun in Sedimenten.

Dass das Wetter Kriege mit entscheidet, bekamen nicht erst Napoleon und Hitler zu spüren. Auch dem größten Reich der gesamten Weltgeschichte erging es einmal nicht anders: Die Mongolen hatten zwar, beginnend mit Dschingis Khan, die umliegenden Landmassen bis zum Pazifik im Osten und dem Schwarzen Meer im Westen unter ihre Kontrolle gebracht, aber auf den Meeren waren sie nicht ganz die Herren: Da lag, kaum 150 Kilometer östlich von China und Korea, noch eine Macht, eine, die sich nie einer Fremdherrschaft hatte beugen müssen: Japan.

Dorthin schickte Kublai Khan 1266, er hatte gerade Korea blutig unterworfen, eine Delegation: Japan möge sich unterwerfen, sonst drohe ihm ein Korea. Die Japaner schlugen den Gesandten die Köpfe ab, späteren Delegationen erging es nicht besser. So beschloss der Khan die Invasion, 1276 schickte er eine erste Flotte, sie landete an einer japanischen Insel und trieb die Verteidiger in die Flucht, man fürchtete aber, die würden mit Verstärkung wiederkehren. So zogen sich die Mongolen auf die Schiffe zurück. Da kam ein Taifun und schlug alles kurz und klein. Sieben Jahre später versuchte es Kublais Marine wieder, mit einer der größten Flotten der Kriegsgeschichte – 160.000 bis 200.000 Mann auf 1500 bis 4000 Schiffen –, wieder wurde Japan zuallererst von einem Taifun verteidigt, den Rest erledigten die Samurai. Die Japaner dankten den Himmlischen, sie nannten die Stürme „göttliche Winde“: „Kamikaze“.

Heute ziehen Taifune andere Bahnen

Das alles ist weithin Legende, und später tauchten durchaus Zweifel am Beistand der Götter bzw. am ganzen Heldenepos auf: In den Monaten, in denen die mongolischen Flotten unterwegs gewesen sein sollen, ziehen überhaupt keine Taifune Richtung Japan, da ziehen sie Richtung China. So ist das heute, und wie war es damals? John Woodruff (University of Massachusetts) hat einen Zeugen gefunden: das Sediment in einem See knapp hinter der Küste der japanischen Insel Amakusa. Der See hat keine Verbindung mit dem Meer, aber wenn dessen Wasser hoch geht, sehr hoch, dringt es über die Sperre.

Sehr hoch gehen kann es in zwei Fällen: Tsunami und Taifun. Über Tsunamis gibt es in der Region keine historischen Berichte, und Taifune gibt es dort zur erforderlichen Zeit eben nicht. Aber früher hat es sie offenbar gegeben, die Winde zogen andere Bahnen, getrieben von El Niño, einem Klimaphänomen des Pazifik, es war stärker, es ließ Wasser öfter über die Küste schwappen. Das tat es in den letzten 50 Jahren nur drei Mal, aus diesen dokumentierten Ereignissen kannte Woodruff die Spuren im Sediment, er fand sie: anorganisches Material und Strontium, beides kam aus dem Meer. Und er fand besonders viel in einer Tiefe von 185 und 189 Zentimetern. Das deckt sich in der Größenordnung mit der fraglichen Zeit, exakt datieren konnte Woodruff nicht (Geology, 4. 12.).

Der Rest ist bekannt, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wollten die Japaner selbst rettende Winde machen und verheizten ihre Selbstmordkommandos – mindestens 3000 junge Männer, die man in Schnellkursen gelehrt hatte, einen Steuerknüppel zu halten –, die Götter halfen ihnen nicht, gottlob, die Insel wurde erstmals besetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2014)

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