Reproduktionsmedizin: Kinder mit sich selbst zeugen?

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Erstmals ist es bei Menschen gelungen, aus Stammzellen Vorläufer von Spermien und Eizellen zu produzieren.

Werden eines Tages Männer Kinder miteinander haben können, Frauen auch? Oder wird gar eine einzige Person mit sich selbst Nachwuchs zeugen können? Diese Perspektive wurde 1997 erstmals aufgezeigt, als auch bei Menschen embryonale Stammzellen (ES) gefunden wurden, die sich in alle Zelltypen differenzieren können, auch in Keimzellen: Sperma und Eizellen. Zuvor hatte man ES nur bei Mäusen gekannt, bei ihnen gelang einer japanischen Gruppe 2011 auch ein erster Schritt hin zu einer ganz neuen und grenzenlosen Reproduktionsmedizin: Sie konnten Vorläuferzellen für Keimzellen produzieren – „primordial germ cells“, PGCs –, in der Petrischale, aus ES und auch aus induzierten pluripotenten Zellen (ipS). Das sind ausdifferenzierte Zellen, die man wieder so verjüngt hat, dass sie undifferenziert werden, man nimmt dazu etwa Zellen der Haut.

Aus denen konnten die Japaner PGCs ziehen, aber die sind eben nur Vorläufer, zu Sperma und Eizellen wurden sie erst, als man sie männlichen bzw. weiblichen Mäusen implantierte. Dann bekam man funktionsfähige Keimzellen, mit ihnen konnten Junge gezeugt werden, die sich ganz normal entwickelten (Science 338, S. 971).

Aber Menschen sind nun einmal keine Mäuse, das mussten viele lernen, die hinter humanen PGCs her waren. Jetzt jedoch ist der erste Schritt vollendet, von Azim Surani (Cambridge) und Jacob Hanna (Rehovot): Sie haben PGCs von Menschen hergestellt, das war deshalb so schwierig, weil embryonale Stammzellen von Mäusen und Menschen sich ganz anders entwickeln und ganz andere chemische Signale brauchen. Aber nun sind sie da, die erste Hälfte ist geschafft, bilanziert Hanna (Cell, 24. 12.).

Die erste Hälfte ist geschafft

Die zweite Hälfte steht noch aus: Zum endgültigen Reifen zu Eizellen/Sperma müssten die Vorläuferzellen auch bei Menschen implantiert werden. Am Ende könnte man damit Frauen und Paaren, die aus irgendeinem Grund zeugungsunfähig sind – etwa wegen einer Strahlentherapie –, helfen. Man könnte allerdings auch einem Mann eine Hautzelle entnehmen, sie zu ipS verjüngen, daraus PGCs ziehen, diese in Menschenkörpern zu Spermium und Eizelle heranreifen lassen und damit Nachwuchs beiderlei Geschlechts bekommen, bei Frauen gäbe es nur Mädchen, weil sie das männliche Geschlechts-Chromosom nicht haben.

Das wird zu Debatten führen, die Forscher bremsen, Hanna und Surani sind „noch nicht bereit, den Sprung zu wagen“. (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2014)

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