Das Alter beeinflusst unsere Gene

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Forscher fanden heraus, dass sich ein spezielles Gen, das mit Depression und Schizophrenie in Zusammenhang gebracht wird, je nach Alter unterschiedlich auswirkt.

Einer der wichtigsten Nervenbotenstoffe im Gehirn ist das Dopamin. Es spielt eine wichtige Rolle bei allen kognitiven Funktionen, beim Arbeitsgedächtnis, bei der Konzentration und Aufmerksamkeit und auch bei Körperreaktionen wie bei der Feinmotorik und bei Bewegungen aller Art.

Läuft die Hormonmenge aus dem Ruder, hat das fatale Folgen für den Körper. Ein Überschuss von Dopamin kann Angstzustände, Schizophrenie, Konzentrationsstörungen sowie eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) auslösen. Ein Mangel führt zu Depression und zur Parkinson-Krankheit. Dieser Neurotransmitter wird jedoch nicht – wie es sich vermuten ließe – während des gesamten Lebens gleichmäßig ausgeschüttet, sondern unterliegt alters- und entwicklungsabhängigen Rhythmen.

„Die Synthese von Dopamin erfolgt während der Entwicklungsphasen eines Menschen nicht gleichmäßig, sondern steigt im Kindesalter an, erreicht in der Pubertät sein Maximum und nimmt im Erwachsenenalter wieder ab“, erklärt Lukas Pezawas, Studienleiter und Professor an der Universitätsklinik Wien für Psychiatrie und Psychotherapie. Das ist ein Grund dafür, dass spezielle psychische Erkrankungen wie Schizophrenie und Depressionen meistens auch erst am Übergang zum Erwachsenenalter auftreten.

Gegensätzliche Wirkung im Alter

Abgesehen vom Alter wird der Stoffwechsel von Dopamin außerdem noch von einem bestimmten Gen, dem COMT-Gen, das für das Enzym Catechol-O-Methyltransferase verantwortlich ist, gesteuert. Das Enzym reguliert den Dopaminabbau im Vorderhirn. Ein internationales Forscherteam rund um Lukas Pezawas konnte nun zeigen, dass es von den Varianten des COMT-Gens abhängt, wie viel Dopamin gebildet wird.

Die Wissenschaftler wiesen sogar nach, dass die beiden Genvarianten während unterschiedlicher Entwicklungsphasen gegenteilige Auswirkungen auf unser Gehirn haben. Ähnliches ist von den Genwirkungen in einer Raupe und dem – genetisch identischen – Schmetterling bekannt, die ebenfalls differieren. Dass es das Phänomen auch im menschlichen Körper gibt, hat man bisher nur vermutet, bewiesen wurde es bislang noch nicht.

Träger von Risikogenvarianten sind anfälliger dafür, bestimmte Formen von psychischen Erkrankungen auszubilden. Die im Fachjournal Brain Structure and Functionpublizierte und mit Mitteln des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und eines EU-Projekts finanzierte Studie konnte dafür nun erstmals Beweise bringen.

Eine einzige Aminosäure entscheidet

Es geht nur um einen Eiweißbaustein, eine Aminosäure, in der das Enzym variiert. Es gibt die sogenannte MM-, MV- und die VV-Variante, wobei M für die Aminosäure Methionin und V für Valin steht. Je nachdem, wie viele Methionin-Bausteine im COMT-Enzym vorhanden sind, steht dem Vorderhirn des Menschen eine bestimmte Dopaminmenge zur Verfügung. Diese ist zudem altersabhängig.

Für die Studie wurden bei 200 Probanden das komplexe Wechselspiel zwischen Entwicklungsphasen und genetischer Variation im COMT-Gen mittels funktioneller Magnetresonanztomografie analysiert.

„Man muss vorausschicken, dass es einen Optimalbereich an Dopamin im Vorderhirn gibt, bei dem Denkprozesse optimal funktionieren“, berichtet Pezawas. In der Pubertät haben VV-Träger die optimale Dopaminkonzentration. MM-Träger liegen mit ihrer Dopaminmenge im Vorderhin weiter weg vom Optimum. VM-Träger befinden sich dazwischen. „Nun wissen wir, dass die Botenstoffkonzentration aber im Laufe des Lebens abnimmt“, sagt Pezawas. Die Konsequenz ist, dass MM-Träger sich erst im Erwachsenenalter dem Optimalbereich nähern und daher optimale Hirnfunktionen haben, während VV-Träger den Optimalbereich wieder verlassen. Daher sind VV-Träger Risikopatienten und gefährdet, dopaminabhängige psychische Krankheiten wie Schizophrenie zu entwickeln.

Erkrankungsbeginn besser verstehen

„Unser Alter hat einen entscheidenden Einfluss auf die Auswirkungen von psychiatrischen Risikogenen“, so Pezawas. „Ein Gen, das in der Pubertät positive Effekte hat, kann im Erwachsenenalter schlecht für uns sein. Jugendliche zeigten in der Studie gegensätzliche Geneffekte auf das Vorderhirn im Vergleich zu Erwachsenen.“

Die Ergebnisse sind wichtig, um den Erkrankungsbeginn von Schizophrenie und Depression, die größtenteils nach der Pubertät auftreten, besser zu verstehen. Außerdem kann man die fundamentalen Unterschiede im Dopaminsystem zwischen Jugendlichen und Erwachsenen zukünftig in Therapien berücksichtigen.

LEXIKON

Eiweiße bestehen aus kleinen Bausteinen, den Aminosäuren. Es gibt 20 Aminosäuren, wobei acht davon für den Menschen essenziell sind, darunter auch Methionin und Valin. Diese Aminosäuren kann der Körper nicht selbst herstellen, weshalb sie mit der Nahrung aufgenommen werden müssen.

Die funktionelle Magnetresonanztomografie misst die Gewebedurchblutung in unterschiedlichen Gehirnregionen. Daraus lässt sich auf die Aktivität von Nervenzellen schließen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2015)

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