Erster Blick in Bibliothek von Herculaneum

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Eine Röntgentechnik verkohlte Papyrusrollen mit griechischen Texten zugänglich machen.

Es war „eine Wolke von ungewöhnlicher Form und Größe. Am besten kann man sie mit einer Pinie vergleichen. Sie wuchs mit einem Riesenstamm, aus dem Zweige kamen, viele brachen unter ihrer eigenen Last zusammen.“ So beschrieb Plinius der Jüngere, was er am 24. August 79 von Minsenum in der Bucht von Neapel aus sah – den Ausbruch des Vesuv –, auch sein Onkel sah es von dort, der Flottenkomandant Plinius der Ältere, er ließ hinsteuern und kehrte nicht zurück.

Seitdem heißen so gigantische Vulkanausbrüche „plinianische“, und was sie anrichten, zeigte sich in Pompeji und Herculaneum. Aus Herculaneum konnten die meisten Menschen entkommen, und dort blieb vieles erhalten, weil heiße Lava in die Häuser schoss, die brachen unter dem Ascheregen deshalb nicht zusammen. Im Inneren wurde alles Organische verkohlt, eine ganze Bibliothek etwa, 1800 Papyrus-Rollen. Diese fand sich 1754 bei Ausgrabungen einer Villa, die dem Schwiegervater Caesars gehört hatte, sie war voll mit Texten griechischer Philosophen, vor allem Epikureer.

Der Schatz ist einzigartig, man konnte ihn bisher nur nicht heben: lesen. Denn die durch und durch verkohlten Rollen hatten zwar noch ihre grobe Struktur, aber aufrollen konnte man sie nicht, ohne sie zu zerstören. Man erprobte viele Techniken, etwa die Oslo-Methode, die alles in Schnipsel zerlegt, man konnte auch einige Textfragmente entziffern, etwa einen des Epikureers Philodemus über „freimütige Kritik“.

Kohle von Kohle unterscheiden!

Aber das Meiste blieb im Dunkel, auch Röntgen half nicht, da der verkohlte Papyrus und die Schriftzeichen auf ihm – aus einer Tinte auf Kohlebasis – zu ähnlich sind. Nun meldet Vito Mocella (Neapel) einen Anfangserfolg, mit einer Phasenkontrast-Technik, bei der die Röntgenstrahlen im geröntgten Objekt gebrochen werden (nicht nur abgeschwächt). Die macht einzelne Buchstaben erkennbar – weil die Tinte nicht in die Papyri eingedrungen ist, sondern auf ihnen winzige Erhebungen bildet –, mehr allerdings bisher nicht. Und sicher identifizierbar sind auch nur runde Buchstaben, alle Ecken könnten verformte Fasern des Papyrus sein („Nature Communication“, 20. 1.).
Mocella meint trotzdem zu sehen, dass einer der Texte wieder aus der Feder des Philodemus stammt – und er ist zuversichtlich, dass andere Phasenkontrast-Techniken weiter in die Tiefe führen werden. Dorthin will er auch in der Villa: Er vermutet er eine zweite, noch nicht ausgegrabene Bibliothek.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)

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