Genetik: Alphamann Dschingis Khan erhält Konkurrenz

(c) APA (HARALD KRACHLER)
  • Drucken

Millionen heutiger Männer stammen vom Mongolenherrscher ab. Aber er war nicht der einzige Gründervater: Allein in Asien waren zehn andere Gründerväter unterwegs, die meisten wie er: zu Pferd.

„Das höchste Glück des Mannes ist es, seine Feinde zu zerschlagen [. . .] und ihre Frauen und Töchter in seine Arme zu drücken.“ Das war der Wahlspruch des Dschingis Khan, der vor 800 Jahren die Mongolen einte und mit seiner Sippe das größte Reich zusammenraffte, das es auf der Erde je gegeben hat. Im Osten gehörten China und Korea dazu, im Westen überrannte ein Heer unter Dschingis' Sohn Batu 1240 Kiew, 1241 Buda. Wien war nicht weit, da mussten die Mongolen kehrtmachen, Batus Bruder Ögödai – damals regierender Khan – war gestorben.

So etwas hinterlässt Spuren – im Gedächtnis, und in den Genen. Dschingis Khan nahm so viele Frauen und Töchter der Besiegten in den Arm, dass ihn Genetiker 2003 den „ultimativen Alphamann“ nannten. So popularisierten sie ihren Befund, demgemäß heute 16 Millionen Männer in Asien – das sind 0,5 Prozent aller Männer der Erde – Dschingis Khan als Stammvater haben, oder zumindest einen der seinen: Ihre Y-Chromosomen sind gleich, und im Vergleich mit dem restlichen Genom deuten sie auf einen räumlichen Ursprung in der Mongolei und einen zeitlichen um Dschingis Khan herum (Am. J. Hum. Gen. 16, S. 718) hin.

Ob er wirklich der Stammvater war, weiß man natürlich nicht, man bräuchte DNA von ihm, und sein Grab wurde nie gefunden. Ähnliches gilt für einen Alphakonkurrenten, der 2005 von Genetikern identifiziert wurde: Giocangga, ein chinesischer Kaiser, der 1582 starb und dessen Y-Chromosom heute 1,5 Millionen Männer tragen. Als Dritter gesellte sich, ganz im Westen, im Mittelalter einer dazu, von dem alle Iren abstammen.

Von Asien nach Arabien und umgekehrt

Nun kommt eine ganze Schar von Gründervätern, wieder in Asien, auf diese Region beschränkte sich Mark Jobling (Leicester): Er hat 5321 Y-Chromosomen aus 127 Populationen ausgewertet und insgesamt elf Gründerväter aus der Zeit von 2100 vor bis 700 nach Christus identifiziert, Dschingis ist dabei – weit an der Spitze –, Giocangga auch, andere lebten ebenfalls in Nordostasien bzw. entlang der Seidenstraße. Aber es ging auch in die Gegenrichtung: Ab dem 7. Jahrhundert verbreitete sich ein Y-Chromosom aus Arabien bis an die Grenzen von Indien und China: Es mag daher kommen, dass Mohammed die Stämme der arabischen Halbinsel geeint hatte, so wie einst Dschingis Khan die der Mongolen.

Denn Lendenstärke allein reicht nicht zum Stammvater: „Viele Männer haben viele Söhne, per Zufall. Was für gewöhnlich nicht passiert, ist, dass die Söhne wieder viele Söhne haben“, erklärt Jobling (Eur. J. Hum. Gen. 22. 1.): „Es braucht einen Verstärkereffekt“: Es braucht soziale Strukturen – Heiratssysteme etwa, die Männern viele Frauen erlauben –, es braucht Transport: Die meisten Gründerväter entstammten nomadisierenden Hirtenvölkern mit Pferden. Ohne die hätte Dschingis Khan so viele Kinder zeugen können, wie er wollte. Die Legende berichtet von 20.000. Bei seinem Sohn Tushi ist man sicherer, er hatte 40 Söhne – auch die ritten weit.

Vielleicht kamen ähnliche Umstände auch früher schon zusammen. Das würde erklären, warum der wirkliche Urvater älter ist als die Urmutter: Der „Y-Chromosom Adam“ – der, von dem alle heutigen Männer ihr Y-Chromosom haben – lebte vor 120.000 bis 156.000 Jahren, die „mitochondriale Eva“ vor 99.000 bis 148.000: Hatten auch zu bzw. vor des Ur-Adams Zeit manche Männer viele Kinder und Kindeskinder, gingen die Y-Chromosomen der anderen früher verloren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.