Die Levante, der Schmelztiegel der Menschheit?

MIDEAST ISRAEL ARCHAEOLOGY
MIDEAST ISRAEL ARCHAEOLOGY(c) APA/EPA/JIM HOLLANDER
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Der Fund eines Frühmenschen in Israel legt nahe, dass Neandertaler und H. sapiens sich dort verpaarten.

Wann und wo erkannten unsere Ahnen, Homo sapiens und Neandertaler, einander, ganz im biblischen Sinn, wann und wo paarten sie sich, und das so nachhaltig, dass jeder von uns auch Neandertalergene hat, zwei bis vier Prozent von allen? Bisher deutete vieles auf Europa, dort lebten die Neandertaler schon lang, als H.sapiensvor etwa 45.000 Jahren einwanderte. Bald darauf waren die Neandertaler verschwunden, man weiß nicht warum, vermutlich waren sie einfach so in der Unterzahl, dass sie als eigene Menschen untergingen.

Aber nun gibt es für diese schicksalhafte Begegnung einen neuen Kandidaten in Raum und Zeit: In der Manot-Höhle im heutigen Israel, 40 Kilometer nordöstlich vom Karmel-Gebirge – dem „Weingarten Gottes“ – lebten vor 55.000 Jahren H.sapiens, und nicht weit weg, in der Amund-Höhle, um die gleiche Zeit Neandertaler. Deren Spuren hat man schon früher gefunden, die von H.sapiens sind neu, sie kamen bei Grabungen von Israel Hershkovitz (Tel Aviv University) in den Jahren 2010 bis 2014 ans Licht, Zähne waren darunter und, vor allem, eine Schädeldecke (Kalotte).

Virtuelle Anthropologie aus Wien

Die konnte man datieren: Die Höhle hatte Tropfsteine, Kalzit lagerte sich an den Knochen an, das Verhältnis von Uran und Thorium darin zeigte das Alter. Viel mehr gab der Fund traditionellen archäologischen Methoden nicht preis, deshalb kam Gerhard Weber ins Spiel, der seit Jahren an der Uni Wien die virtuelle Anthropologie vorantreibt, die mit mathematisch-statistischen Methoden am PC auch aus Fragmenten ein detailliertes Bild herausrechnen kann: Die Schädeldecke gehörte einem Homo sapiens (Nature, 28.1.).

Nach so einem hat man in der Levante lang gesucht. Zwar gibt es dort ältere Funde, aber diese Einwanderer zogen sich wohl wieder nach Afrika zurück, und es gab eine große Lücke zwischen der nächsten Auswanderungswelle und dem Eintreffen in Europa. Die ist nun gefüllt: „Dieser Schädel verbindet perfekt die Teile der Menschheitgeschichte, die uns bisher bekannt waren“, schließt Weber, und Hershkovitz zieht den hypothetischen weiteren Schluss, dass vielleicht schon der Mensch von Manot ein Hybrid aus H.sapiens und Neandertaler war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2015)

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