"Verwaltung ist nie effizient"

(c) BilderBox (Erwin Wodicka)
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Historiker erforschen anhand von jahrhundertealten Akten, wie der Habsburger Kaiserhof mit seinen tausenden Bediensteten funktionierte. Bei der Verwaltung war Sparen schon immer angesagt.

Verwaltung ist nie effizient und muss permanent restrukturiert werden.“ Dieser Satz stammt nicht etwa von der Verwaltungsreformkommission, die in dieser Woche erste Vorschläge für eine sparsamere Verwaltung vorgelegt hat. Er stammt vielmehr von dem Wiener Historiker Martin Scheutz, der in dem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Forschungsprojekt „Zu Diensten Ihrer Majestät“ die Verwaltung des Habsburgerhofes von Mitte des 17. bis ins frühe 19.Jahrhundert untersucht.

Die Themen, mit denen er und sein Mitarbeiter Jakob Wührer sich beschäftigen, gleichen über weite Strecken den heutigen Problemen. „Das meiste gab es schon früher, nur hat es anders ausgesehen.“ So war die Entlohnung von Beamten schon immer recht flexibel: Zu einem Grundgehalt kam ein Reihe von Zulagen – früher etwa Licht- oder Holzgeld. Auch schon vor Jahrhunderten war vieles in der Beamtenschaft minuziös festgelegt. Wenn der Hof auf Reisen ging, gab es exakte Vorschriften, wie viel Gepäck die Hofdiener auf Staatskosten mitnehmen durften. Übergepäck musste privat bezahlt werden. Selbst die Trauerordnungen waren streng geregelt – und damit der Anspruch auf Trauerkleidung nach dem Tod eines Kaisers.

Solche und viele weitere Beispiele fanden die Historiker in sogenannten Instruktionsbüchern. Auf 1400Seiten in vier Bänden ist festgelegt, welche Aufgaben jede der rund 80 Berufsgruppen am Hof hat – und wer wen kontrolliert. „Heute würde man das ,Job-Description‘ nennen“, merkt Scheutz an. Niedergeschrieben wurden die Vorschriften ab Mitte der 1650er-Jahre: Mehrere hohe Amtsinhaber waren gestorben, dabei war viel informelles Wissen über die Hofverwaltung verloren gegangen. Der Obersthofmeister hat daraufhin das tradierte Wissen gesammelt. Im Laufe der Zeit wurden die Instruktionsbücher angepasst – was unter anderem wegen der Expansion des Hofs von 1000 Bediensteten im Jahr 1650 auf mehr als 3000 ein Jahrhundert später nötig wurde.

In der frühen Neuzeit waren Kaiserhof und Staatsverwaltung noch weitgehend eins. Erst in den Staatsreformen im 18.Jahrhundert drifteten Hof und Verwaltung verstärkt auseinander. Die Hofbediensteten im engeren Sinne wurden stärker auf die Versorgung des Hofs ausgerichtet, die abgespaltene Staatsverwaltung wurde stärker professionalisiert. Beide Sphären blieben aber Abbilder der ständischen Gesellschaft: Die Topfunktionen wurden von Adeligen besetzt, das mittlere Management bildeten schon seit dem 17.Jahrhunderte Bürgerliche.

Kaiser JosefII. wollte im Zuge der Reform den Hof deutlich verkleinern. „Das ist misslungen“, so Scheutz. Und zwar aus vielen Gründen: „Der Hof glich einem schweren Tanker, den man kaum bremsen konnte“, sagt der Historiker. Die Zahl der Aufgaben wuchs, Gleiches galt für die kaiserliche Familie selbst: Jeder Angehörige – vom Erzherzog bis zur Kaiserwitwe – verfügte über einen eigenen Hofstaat, mit eigenen Erziehern, Leibdienern oder Beichtvätern. (Erst Kaiser Franz Josef schaffte eine drastische Reform, in der er 1867, den drohenden Staatsbankrott vor Augen, das Budget um ein Drittel kürzte. Heute ein unvorstellbarer Akt.)


Kontrollzwang. Zudem tendieren Verwaltungsapparate stets zur Bürokratisierung – ein Prinzip, das Cyril Parkinson anhand des Wucherns der britischen Marineverwaltung so treffend dargestellt hat: Obwohl die Flotte an Bedeutung verlor, explodierte der Beamtenapparat. Ein weiterer Trend, der sich bis heute durchzieht, ist, dass Aufsicht und Kontrolle immer wichtiger werden. „Der Kontrollzwang wurde immer größer“, formuliert es Scheutz. Mehr Kontrolle erfordert unvermeidlich mehr Arbeitsplätze und treibt die Kosten nach oben. „Das war immer ein Kampf gegen Windmühlen.“

Ebenfalls bis heute unverändert blieben viele der Rezepte im Kampf gegen die Kostenexplosion: zum Beispiel durch Privatisierung oder „Outsourcing“. Immer wieder wurden bestimmte Leistungen an Private vergeben, weil man hoffte, dass sie dann billiger erbracht würden. Nicht selten dachte man aber nach einiger Zeit um, der Hof machte die Leistung doch wieder selbst – weil man dachte, dass man dadurch Kosten sparen könne. Gut nachvollziehen könne man das beispielsweise beim Kutschenbau, so Scheutz.


Erbe der Monarchie. Das Erbe der Habsburgerzeit ist bis heute in Österreich spürbar. Das gilt nicht nur für Verwaltungsstrukturen oder Reformansätze. Auch Beamtentitel haben eine Kontinuität. Klar zu sehen ist das etwa am „Hofrat“ – obwohl es längst keinen Hof mehr gibt, hat dieser Titel (sogar in drei Varianten) überlebt. Scheutz' Erklärung: Nach dem Ende der Monarchie 1918 hat es vier Jahre gedauert, bis der Hof „abgewickelt“ war, bis also alle Aufgaben und Besitztümer neu verteilt waren. „Noch in der Zeit der Republik wurden verschiedene Hoftitel vergeben – etwa zu Pensionierungen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2009)

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