Hatte der Taj Mahal einen Sonnenkalender?

Taj Mahal
Taj Mahal(c) ORF
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Der Garten ist so angelegt, dass Achsen mit dem Lauf der Sonne zu ihren Wenden übereinstimmen.

Um den Taj Mahal wabern viele Mythen, ganz fürchterliche, etwa die, dass nach Vollendung des Baus den Arbeitern die Hände abgeschlagen wurden, auf dass nie mehr etwas so Prächtiges errichtet werden könne. Dabei ist zumindest ein Teil des Mausoleums, das der Großmogul Shah Jahan um 1631 für seine dritte Frau, Mumtaz Mahal, erbauen ließ, ein Paradies, zumindest dem Namen nach: ein Garten.

Dessen Gestalt wurde in Persien entwickelt, als dort der Glaube an Zoroaster regierte: Der rechteckige Garten war in vier Felder unterteilt – deshalb hieß er Charbagh, „char“ ist vier, „bagh“ Garten –, er hatte ringsum eine Mauer, die hieß „pairidazea“. Diese Gestalt strahlte weit aus, etwa nach Griechenland – dort wurde „paradeisos“ daraus –, aber im Osten war man ebenso entzückt von der Anlage, die sich vor allem auf Wasser konzentrierte: Kanäle bildeten die Achsen, meist lief die zentrale von Nord nach Süd – sie sollte zugleich die Achse symbolisieren, um die die Erde sich dreht –, die andere von Ost nach West, das Wasser kommt aus einem Becken in der Mitte.

Symbolischer Garten Eden

So ist auch der Taj Mahal angelegt, so wurden viele andere Gärten angelegt, die die Moguln in Indien errichten ließen: „Es ist wohl bekannt, dass diese Mogulgärten symbolisch für den Garten Eden standen, mit vier Wasserkanälen, die aus einer zentralen Quelle in die vier Enden der Erde flossen.“ Das berichtet Amelia Sparavigna (Turin), und sie berichtet noch etwas, was bisher völlig unbekannt war, es zeigt sich, wenn man den Garten von oben betrachtet, mit Google Earth. Dann stechen vier Punkte ins Auge, Nebenpavillons des Taj Mahal in den Ecken des Gartens. Je zwei von ihnen liegen auf (gedachten) diagonalen Achsen, sie treffen einander just dort, wo das Wasser herausquillt, im Zentrum der Anlage.

Die eine Achse liegt so, dass am Tag der Sommersonnenwende die Sonne über einem dieser Pavillons auf- und dem anderen untergeht, bei der Wintersonnenwende folgt die Sonne der anderen Achse bzw. die folgt ihr (Philica, 13.1.). Allerdings hätte man, um den Anblick zu genießen, mitten im Wasser stehen müssen, das weckt doch Zweifel an der Hypothese. Zudem wurden in letzter Zeit so viele vorgebliche Ausrichtungen antiker Gebäude an der Sonne entdeckt – etwa von Sparavigna an einem Römerfort in England –, dass Kritik laut wurde. Deshalb erwägt Sparavigna eine alternative Interpretation: Die Architekten könnten sich an den Sonnenwenden orientiert haben, um die präzise Nord/Süd-Ausrichtung des Gartens zu gewährleisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2015)

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