Kren als Alleskönner für die Industrie

Biotechnologie. Enzyme aus der Krenknolle werden in der Diagnostik, bei der Abwasserreinigung und in der Textilindustrie eingesetzt. Forscher der TU Graz entwickeln ein industrielles Verfahren, das dieselben Enzyme aus Hefe herstellt.

Kren ist nicht nur in der österreichischen Küche beliebt. Auch die biochemische Industrie schätzt ihn schon lange aufgrund seiner Enzyme. Als Katalysatoren lösen Krenenzyme zahlreiche Reaktionen aus: zum einen in der Pflanze selbst, zum anderen in vielen Bereichen des Alltags.

So spielen sie etwa in der medizinischen Diagnostik eine wesentliche Rolle: „Mithilfe dieser sogenannten Kren-Peroxidasen lässt sich schnell und einfach nachweisen, ob sich nach einer Impfung wichtige Antikörper gebildet haben und wie lange die Impfung noch wirkt“, sagt Florian Krainer vom Institut für Molekulare Biotechnologie der TU Graz. Das Enzym reagiert, indem es eine Farbreaktion auslöst. Je nach Farbintensität des Tests kann die Menge der Antikörper ermittelt werden.

Vielseitige Knolle

Die vielseitige Knolle kann noch mehr: In der Abwasserreinigung erkennt sie die ringförmigen Strukturen gefährlicher Hormone; in der Textilindustrie hilft sie, Farbstoffe oder andere Verunreinigungen aus dem Wasser herauszubekommen.

Für den massiven Bedarf an Krenenzymen musste die weltweite Industrie bislang mehrere Tonnen an Krenwurzeln verarbeiten. „Das steht im Widerspruch zum Nutzen des Krens als wichtiges Nahrungsmittel und zur Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen zur Nahrungsmittelproduktion“, erläutert Krainer. Außerdem unterliegen die Pflanzen und damit auch ihre Enzyme natürlich bedingten Schwankungen. Für die Industrie, die gleichbleibende Qualität verlangt, ist das ein Problem.

In einem Kooperationsprojekt zwischen dem Austrian Center of Industrial Biotechnology (acib), einem von Wissenschafts- und Technologieministerium finanzierten Kompetenzzentrum und dem Doktoratskolleg „Molekulare Enzymologie“ von TU Graz und Uni Graz will Krainer die industrielle Herstellung großer Enzymmengen in hoher Qualität ermöglichen. Der geeignete Wirt dazu ist die – biotechnologisch modifizierte – Hefeart Pichia pastoris.

Zwei Patente angemeldet

„Die Mikroorganismen weisen ähnliche Eigenschaften wie die Krenpflanze auf und können das Enzym besser produzieren“, sagt Krainer. Die Forscher haben bereits vorab 28 natürliche Kren-Peroxidasen entdeckt und zwei Patente dazu angemeldet. „Nun gilt es, den Produktionsprozess weiter zu verbessern und zur Marktreife zu führen“, beschreibt Krainer das Ziel der wissenschaftlichen Arbeit.

Damit die Forscher ihrem Vorhaben einen Schritt näherkommen, hilft die PRIZE-Prototypenförderung: Für die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kommen 100.00 Euro aus dem Wissenschaftsministerium und von der Austria Wirtschaftsservice GmbH. Die Prototypenentwicklung am Biotechnologieinstitut der Grazer TU startet im Sommer 2015 und läuft mindestens ein Jahr.

LEXIKON

Katalysatoren. Das sind Stoffe, die die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen erhöhen, indem sie die Aktivierungsenergie von Prozessen verändern. Biochemische Prozesse werden mithilfe von Enzymen katalysiert und dadurch beschleunigt.

Enzyme. Nahezu alle Enzyme sind Proteine, die für den menschlichen Stoffwechsel unverzichtbar sind – von der Verdauung über das Immunsystem bis hin zum Hormonhaushalt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.