Fasten: Rezepte gegen eine satte Gesellschaft

Symbolbild Trinkwasser
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Fasten ist längst kein Angebot mehr nur für Gläubige. Auf der Suche nach Ruhe und einem Ausgleich verzichten immer mehr Menschen auf feste Nahrung. Das wird jetzt auch wissenschaftlich untersucht.

Sie kommen ins Kloster, um tagelang nur zu trinken oder ungewürzte Suppe zu löffeln. Dazwischen stehen stundenlange Spaziergänge, Einläufe und Leberwickel auf dem Programm. Krank sein muss man dafür aber nicht. „Heilfasten ist für viele Menschen zu einem Trend auf der Suche nach alternativen Lebensweisen geworden“, sagt Isabelle Jonveaux vom Institut für Religionswissenschaft der Uni Graz. Die Religionssoziologin untersucht das in der Forschung bislang kaum beachtete Phänomen im Projekt „Streben nach einem mäßigen Leben“. Dafür hat die Pariserin ein Elise-Richter-Stipendium des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF bekommen.

Jonveaux befasst sich seit mehr als zehn Jahren wissenschaftlich mit Klöstern, zunächst mit der Wirtschaft. Dabei ist ihr aufgefallen, dass immer mehr Menschen kommen, weil sie die Lebensart gesund finden: „Die Leute nutzen die ehemals ausschließlich religiösen Techniken, um ein Gleichgewicht von Körper und Seele herzustellen.“ Körperliches Wohlbefinden sei dabei nur ein Teil, es ginge fast immer auch um Spiritualität.

In ihrer Forschungsarbeit interessieren sie zwei Gruppen: diejenigen, die zu nicht christlichen Fastenwochen kommen, und diejenigen, die Fasten als Teil ihres Glaubens immer mehr neu entdecken. „Die einen suchen sich selbst, die anderen Gott“, sagt sie.

Kloster in Mode

Wie erforscht man das Thema Fasten am besten? Man probiert es selbst aus. Neben Interviews mit Fastenden entschied sich Jonveaux daher für die sozialwissenschaftliche Methode der teilnehmenden Beobachtung: Sie meldete sich einmal in einem Kloster in Oberösterreich und einmal in einem Kärntner Kurhaus zum Fasten an. Das große Wohlbefinden, das das Fasten bringe, überraschte sie selbst. Daher seien viele Fastende „Wiederholungstäter“, auch sie will wiederkommen.

Fasten ist für die Soziologin zugleich eine Antwort auf die Konsumgesellschaft: „Konsum macht die Leute nicht mehr glücklich. Die satte Gesellschaft sucht nach neuen Lebensformen.“ Der Weg zurück in die Klöster sei auch deshalb in Mode, weil sich die Menschen nach Ruhe sehnen. „Sie merken, dass alles zu viel ist und zu schnell geht.“

Handy- und Internetfasten

Jonveaux ist noch mitten in der Erhebungsphase – insgesamt will sie 70 Fastenteilnehmer befragen –, aber schon jetzt zeigt sich: Fasten geht meist mit Entschleunigung einher. Bei den klösterlichen Fastenwochen wird nicht nur auf Essen verzichtet, sondern auch auf Handy und Internet.

Dass viele beim Fasten zuerst an Mönche denken, lässt die Religionssoziologin schmunzeln: Diese seien nämlich gar nicht die Erfinder des heute am häufigsten genutzten Fastens nach Otto Buchinger. Der nämlich war Arzt.

ZUR PERSON

Isabelle Jonveaux (31) wurde in Paris geboren. Sie studierte Soziologie und Wirtschaft und spezialisierte sich in ihrer Forschungsarbeit auf Klöster. Nach Österreich kam sie mit dem Lise-Meitner-Programm des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF. Derzeit forscht sie mit einem Elise-Richter-Stipendium. [ Uni Graz]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2015)

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