Start-Preise: Quanten, Netze und die russische Kirche

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Staff members wait for visitors to present cloud computing software applications at the booth of German company Deutsche Telekom at the CeBit computer fair in Hanover(c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
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Bei den – am Montag gemeinsam mit dem Wittgenstein-Preis vergebenen – Förderungspreisen für Jungforscher dominieren auch heuer wieder Fächer, in denen Österreich exzellent ist: Mathematik und Physik.

„Unter einem Netzwerk versteht man eine verteilte Menge an Schnittpunkten, auch Knoten genannt, welche durch Kommunikationspfade miteinander verbunden sind.“ Diese Definition – die auch auf das U-Bahn-System einer Stadt passen würde – steht in der Aussendung zu den heuer vom Wissenschaftsfonds FWF vergebenen Start-Preisen, und sie zeigt, wie sehr sich die Physiker auch in ihrer Prosa an eine möglichst mathematische Ausdrucksweise gewöhnt haben. Im Fall von Benjamin Lanyon sind z. B. Atome die Knotenpunkte und werden durch Photonen (Lichtteilchen) verbunden. So entstehen Netzwerke, die durch das quantentypische Phänomen der Verschränkung viel mehr Korrelationen erlauben als klassische Netzwerke.
Ein Thema aus dem Gebiet der Quantenoptik und Quanteninformation also, in dem Österreich seit Jahren stark ist, Lanyon ist derzeit am einschlägigen Institut IQOQI, wie auch Marcus Huber, der darüber forscht, wie Quanteninformation und Thermodynamik zusammenhängen. Auch die Platinatome an Oberflächen, die Gareth Parkinson untersucht, sind natürlich quantenmechanisch zu beschreiben. Er misst, wie sie sich als Katalysatoren (etwa für die klassische Kat-Reaktion 2CO+O2 = 2CO2) verhalten.

Drei Arbeiten gehören im weitesten Sinn zur Mathematik: Caroline Uhler, derzeit am ISTA in Klosterneuburg, befasst sich mit Statistik, die man u. a. für die Analyse von Netzwerken der Genregulation braucht; Christoph Aistleitner an der TU Graz wendet Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf andere mathematische Disziplinen an; Ivona Brandić ergründet, wie man Cloud Computing optimieren kann.

Handgreiflicher ist das Thema von Rupert Seidl vom Institut für Waldbau der Universität für Bodenkultur Wien: Er sieht sich an, wie der Klimawandel die Wälder verändert und die Holzproduktion genauso beeinflusst wie die Kohlenstoffspeicherung (die wiederum das Klima beeinflusst), aber auch den Erholungswert der Wälder.
Das einzige prämierte Projekt aus den Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften ist von Kristina Stoeckl. Sie forscht über postsäkulare Konflikte, über Debatten zu Themen wie Abtreibung, Sterbehilfe und die Gleichstellung von Homosexuellen. Dabei interessieren sie die „involvierten moralkonservativen Akteure“, besonders die russisch-orthodoxe Kirche, die sie als „transnationalen konservativen Norm-Entrepreneur“ bezeichnet.
Diese acht Forscher erhalten jeweils bis zu 1,2 Millionen Euro, natürlich nicht für sich selbst, sondern mit dem Auftrag, für sechs Jahre eine eigene Arbeitsgruppe auf- bzw. auszubauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2015)

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