Werden die Menschen künftig intelligenter?

Der Intelligenzquotient stieg lang, nun bremst sich sein Wachstum.

In den vergangenen 100 Jahren nahm der Intelligenzquotient, kurz IQ, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt leicht zu. Warum ist das so? Werden die Menschen tatsächlich klüger? Und: Wie aussagekräftig sind IQ-Tests?
So viel vorweg: Die Frage, ob die Menschen intelligenter werden, ist eine, die sich nicht klar mit Ja oder Nein beantworten lässt. Tatsächlich stieg der IQ seit 1909 weltweit im Durchschnitt um etwa drei Punkte pro Jahrzehnt. Das konnten Wiener Psychologen nun in einer neuen Studie zeigen. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die Menschen generell schlauer werden.

„Unterschiedliche Tests messen Unterschiedliches“, sagt Jakob Pietschnig vom Institut für Angewandte Psychologie der Uni Wien. Die Forscher beobachteten, dass es bei Tests zu allgemeinen kognitiven Fähigkeiten geringere Zuwächse gibt als bei solchen, die spezialisierte Fähigkeiten erfassen. Diese nehmen zu: „Die Menschen werden keine Genies, sondern immer mehr Experten“, so Pietschnig.

In ihrer Arbeit konnten die Forscher erstmals zeigen, dass der Anstieg des IQ keine lineare Entwicklung war. Speziell schwierige Umweltbedingungen wie Kriege hätten ihn gebremst. Positive Umweltfaktoren, etwa bessere Ernährung, medizinische Versorgung und schulische Ausbildung sind wiederum Gründe für das Wachstum. Dieses ist aber seit den 1970ern und 80ern verlangsamt. Das zeige sich im Ländervergleich aktuell vor allem bei skandinavischen Staaten. Durch früher wirkende positive Faktoren habe man dort auch früher die Decke erreicht.

Zwar sei Intelligenz mehr als das, was IQ-Tests messen. Diese seien aber immer noch „die beste Form der Leistungserfassung, die man momentan habe“, so Pietschnig. Zwischen Hochbegabten und Menschen mit Lernschwierigkeiten liegen nur etwa 60 Punkte Unterschied. Sind die Menschen Tests heute eher gewohnt und raten mitunter einfach? Ja, aber auch raten sei eine Testlösungsstrategie und kein Ausdruck der Dummheit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

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