Beim Flug der Waldrappe live dabei

WALDRAPP
WALDRAPP (c) EPA (Schweizer Vogelschutz)
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Biologie. Derzeit ziehen 31 Waldrappe, die von Hand aufgezogen wurden, von Salzburg aus in den Süden. Sie werden von Forschern in Leichtflugzeugen über die Alpen nach Italien gelotst.

Waldis, komm, komm!“ Mit diesem Ruf werden junge Waldrappe trainiert, den menschlichen Zieheltern zu folgen, egal wohin. Heuer folgen 31 Jungvögel, die aus dem Kärntner Tierpark Rosegg stammen und im Tiergarten Schönbrunn mit Hand aufgezogen wurden, erstmals den Forschern.

Das Projekt zur Wiederansiedlung des Vogels, dessen rote Gesichtsmaske Vorbild für die venezianischen Karnevalsmasken war, besteht seit 2002. Damals bemühten sich Johannes Fritz und Angelika Reiter von der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau, den Waldrappen aus Zoonachzucht das beizubringen, was ihr Überleben in der Freiheit sichern kann: die Flugroute aus dem Sommergebiet über die Alpen in das Wintergebiet in der Toskana. Die huhngroßen Zugvögel waren in Österreich lang heimisch, aber da ihr Fleisch noch besser als das der Hühner schmeckte, wurden sie vor etwa 350 Jahren ausgerottet.

Die Idee des Projekts, das Fritz bis heute leitet, war: Die Jungvögel werden auf menschliche Zieheltern geprägt und darauf trainiert, einem Ultraleichtflugzeug mit den „Eltern“ an Bord zu folgen. Zuerst nur auf kleinen Ausflügen, dann auf der großen Reise in das Wintergebiet. Stets begleitet von den Rufen: „Waldis, komm, komm!“

Zugvogel muss den Weg lernen

Denn einem Zugvogel ist zwar seine Zugunruhe, also das Verlangen im Herbst wegzufliegen, in den Genen festgeschrieben. Nicht aber der Weg, wohin der Vogelzug gehen soll. Manch ein zugunruhiger Waldrapp aus Grünau in Oberösterreich flog schon bis Russland, wo man das fröstelnde Tier gerade noch retten konnte.

Seit wenigen Jahren klappt dieses Unterfangen tatsächlich: In Kuchl in Salzburg und in Burghausen in Bayern gibt es nun Waldrappkolonien mit rund 40 Vögeln, die im Herbst in die Toskana fliegen. Die Pioniere dieser Tiere haben den beschwerlichen Weg über die Alpen von Johannes Fritz und seinem Waldrappteam gelernt, und sind den Menschen im Ultraleichtflugzeug bis in das WWF-Schutzgebiet Laguna di Orbetello gefolgt. Der Rückweg in das Sommergebiet funktioniert ohne menschliche Hilfe, die Tiere haben die Landkarte nach erstmaligem Flug gespeichert und können das Wissen an folgende Generationen im gemeinsamen Flug weitergeben.

Seit 2008 werden die Vögel von der Vet-Med-Uni Wien medizinisch betreut, um sicherzustellen, dass sie fit für die kräfteraubende Reise sind. Alexandra Scope von der Kleintierklinik erzählt: „Wir haben sehr gute Daten zur Darmflora, und Blutchemie der Vögel. Heuer gab es kurz vor Migrationsstart ein Problem durch Magen-Darm-Infekte der Gruppe, wahrscheinlich wegen der großen Hitze.“ Doch der Erreger wurde schnell gefunden und die Tiere wurden behandelt.

Manch Ausreißer folgt im Auto

Am 22.August begann die erste Reise für diese Vögel. Start war in Seekirchen bei Salzburg, wo das „Trainingslager“ war, um die 31 Tiere auf das Fluggerät zu prägen. Wegen schlechten Wetters mussten einige Wartepausen eingelegt werden, doch jetzt nähern sich Mensch und Tier dem Ziel. Eintrag aus dem Reisetagebuch vom 30.August: „26 Vögel sind von Al Casale nach Valle Gaffaro geflogen. Zwei Waldrappe sind leider kurz nach dem Start zurückgeflogen, zwei weitere sind erst später abgerissen. Sie werden mit dem Auto zur restlichen Gruppe gebracht.“

Die Vögel aus dem Brutgebiet Burghausen, die nicht von Menschen aufgezogen wurden und den Weg schon kennen, haben sich heuer selbstständig mit den Waldrappen aus dem Brutgebiet Kuchl getroffen. Auch diese Gruppe soll bald aufbrechen, um in die Toskana zu fliegen.

LEXIKON

Der Waldrapp ist ein Ibisvogel, der in Mitteleuropa bis ins 17. Jahrhundert lebte und sich vorwiegend von Würmern und Larven ernährt. Heute gibt es weltweit nur noch etwa 400 frei lebende Tiere in Marokko – aber ohne Zugverhalten.

Das Waldrappteam leitet das EU-Projekt zur Wiederansiedlung des Waldrapps in Europa. Die Reise der Vögel wird live dokumentiert: auf Facebook und auf www.waldrapp.eu

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

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