Medizin: Neueste Gentechnik weckt neue Xenotransplantat-Hoffnung

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit dem Verfahren CRISPR-Cas9, das für den Nobelpreis hoch gehandelt war, will ein Forscher Schweine zu Organspendern machen.

Am Montag, zwei Tage vor der Bekanntgabe der Chemienobelpreise in Stockholm, ließ Molekularbiologe George Church (Harvard) bei einem Meeting der National Academy of Science der USA ein Bömbchen platzen: Ihm sei es gelungen, mit dem avanciertesten Verfahren der Gentechnik – CRISPR-Cas9 – Schweine zu produzieren, die sich als Transplantatspender für Menschen eignen (Naturenews 6. 10.). Die Idee des Verpflanzens von Gewebe über Artgrenzen hinweg – Xenotransplantation – entstand in den 1980er-Jahren, Spenderorgane von Menschen waren knapp, man experimentierte mit Schimpansen, aber das gab ethische Probleme, technische auch: Auf das Fremdgewebe reagierte das Immunsystem mit letaler hyperakuter Zurückweisung, zudem hatte man gerade erlebt, dass ein mörderisches Virus – HIV – von Schimpansen auf Menschen übertragen wurde, durch Kontakt mit Schimpansenfleisch und -blut.

So wandte man sich Schweinen zu, auch die sind etwa so groß wie wir, aber nicht so eng mit uns verwandt. Doch die Probleme blieben, selbst starke Immunsuppressiva konnten die Abwehr nicht besänftigten, und auch Schweine haben Viren – porcine endogeneous retroviruses (PERVs) –, die nicht auf Menschen kommen dürfen. Beides ging man gentechnisch an: Das Fremdgewebe zieht das Immunsystem mit Zuckern auf Zellmembranen auf sich, also musste man die Zucker ausschalten, die PERVs natürlich auch.

Noch zur Jahrtausendwende reichten die Hoffnungen bis zur Revolution der Medizin, dann brach der Hype zusammen, auf ihrem damaligen Stand konnte die Gentechnik Schweine nicht überall dort verändern, wo es erforderlich wäre. Auf ihrem heutigen Stand kann sie es, mit CRISPR-Cas2, das erlaubt punktgenaue Eingriffe, es ist ein Konstrukt aus RNA und einem Enzym: Die RNA ist so gebaut, dass sie erwünschte DNA präzise ansteuert, das Enzym schneidet sie dann auf, man kann Teile entnehmen und/oder einbauen. Church ist einer der Pioniere der Technik, und schon Wochen vor der Verleihung der Nobelpreise gingen die Spekulationen hoch, CRISPR-Cas9 bzw. seine Entwickler hätten ein sicheres Ticket nach Stockholm.

Aber Church ist nicht nur Forscher, er liest auch Zeitung, und wenn ihm etwas unterkommt, stellt er es auf seine Homepage zu den eigenen Publikationen. Und in der Biomedizin geht es nicht nur um Leben, sondern auch um Geld: Auf Churchs Homepage steht etwas aus dem „Guardian“ vom 2. 10.: Stockholm würde bei CRISPR-Cas9 kalte Füße bekommen, weil um das Verfahren ein bitterer Patentkrieg tobt: Im August 2012 publizierten Jennifer Doudna (Berkeley) und Emmanuelle Charpentier (Umea) in Science eine Arbeit, in der gezeigt wurde, wie Bakterien Viren abwehren (337, S. 816): mit CRISPR-Cas9. Das machte die beiden in der Öffentlichkeit zu Kandidaten für den Nobelpreis.

Patentstreit statt Nobelpreis

Aber im Klandestinen hatte ein anderer Fakten geschaffen, Feng Zhang (MIT): Er bzw. seine Uni ist zum Patentamt gegangen und hat 13 der derzeitigen 20 US-Patente auf CRISPR-Cas9 erhalten. Zum Missfallen von Berkeley, Doudna hat keines. Der Streit kocht extrem, Berkeley contra MIT. Letzteres hat wohl die besseren Karten: Über ein Jahr vor Dodna/Charpentier hatte auch Zhang etwas in Science (339, S. 819), und zwar etwas, was weiter ging: Er konnte die Technik auch bei Mäusen und Menschen anwenden.

Church zog aus dem „Guardian“ seine Schlüsse, er ging in Aufmerksamkeitskonkurrenz mit Stockholm: Über 60 Gene für die Zucker hat er bei manchen Schweinen verändert, 20 für PERVs bei anderen. Noch sind die Embryos im Labor, bald werden sie Leihmüttern implantiert, bei der Firma eGenesis, mit der der weitsichtige Church verbandelt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2015)

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