Das Plattenhotel im Zauberkasten

Zellbiologie. Die neue Screening-Straße im Austrian Drug Institute untersucht vollautomatisch die Wirkung von Pflanzenextrakten auf menschliche Zellkulturen.

„Unser Zauberkastel ist von außen nicht so spektakulär, aber innen umso mehr“, sagt Mediziner und Zellbiologe Lukas Huber, einer der beiden wissenschaftlichen Leiter des Austrian-Drug-Screening-Instituts in Innsbruck. Dieses Zauberkastel ist die neue Screening-Straße, die nach dreijähriger Entwicklungszeit kürzlich in Betrieb ging. „Bisher haben wir per Hand etwa 150 Pflanzenextrakte auf ihre Wirksamkeit getestet, nun können wir vollautomatisch parallel hunderte Extrakte untersuchen“, sagt Huber, der auch das Institut für Zellbiologie der Med-Uni Innsbruck leitet.

Von außen sieht diese Screening-Straße aus wie eine Einbauküche oder ein großer Schrank mit Glasfenstern. Innen arbeitet ein Roboter vollautomatisch in sterilen Bedingungen. „Die Innovation unseres Systems ist, dass keine Keime eindringen können, ein Luftvorhang schirmt den Reinraum ab. Hier lagern Zellen im sogenannten Plattenhotel“, so Huber. Damit meint er die vielen Schranktüren, hinter denen jeweils eine Laborplatte mit darauf wachsenden menschlichen Zellen „wohnt“. Jedes Gewebe braucht die passenden Bedingungen an Sauerstoff und Temperatur. Es gibt Muskelzellen, Fettzellen und vieles mehr.

Da der Hauptfokus der Forschung derzeit auf Wohlstandserkrankungen wie Diabetes Typ 2 und dem metabolischen Syndrom liegt, sind die meisten Platten mit einer Mischung aus Muskel-, Fett- und Entzündungszellen gefüllt. „Wir bauen die Entzündungsreaktion, die im Körper passiert, nach“, erklärt Huber.

Roboter arbeitet immer

Im Zauberkastel holt der Roboterarm also Platten mit Zellen, die aus Biopsien von Patienten stammen, und pipettiert Flüssigkeiten darauf: Das sind die Extrakte der Pflanzen, die hier gescreent werden. Jede Zellkultur wird einige Wochen lang behandelt. In der Screening-Straße werden regelmäßig hochauflösende Mikroskopbilder angefertigt, die den Zustand der Zellen dokumentieren. „Wie bewegt sich die Zelle, teilt sich die Zelle, stirbt sie, wenn ja, wie stirbt sie? All diese Daten bekommen wir aus jedem Experiment, das sind riesige Datenmengen“, betont Huber. Im Gegensatz zu Labormitarbeitern, die dies früher händisch gemacht haben, ist der Roboter erstens genauer, zweitens arbeitet er auch am Wochenende. „Über eine Webcam können wir rund um die Uhr beobachten, ob alles gut läuft.“

Die Auswertung der Daten braucht viel Zeit: Ziel ist zu erkennen, welche Extrakte welche Wirkung haben. Fragt man nach Fehlern, die diesem System unterlaufen können, lacht Huber: „Einmal hatte der Roboterarm schon einen Frontalcrash mit einer geschlossenen Schranktür und war schwer verletzt. Doch deutsche Techniker haben ihn wieder fit gemacht. Das wird nun nicht mehr passieren.“ (vers)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2015)

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