So etwas wie Privatsphäre gibt es nicht

Sparkling Science. Eine an der TU Wien entwickelte Software zeigt Jugendlichen, wie leicht ihre Fotos über das Internet auffindbar sind und dass sie in sozialen Medien unkontrollierbar verändert werden können.

„Die Anzahl der Bilddaten, die für eine Person zur Verfügung stehen, steigt stündlich“, sagt Martin Kampel vom Computer Vision Lab der TU Wien. Er leitet ein Sparkling-Science-Projekt, finanziert vom Wissenschaftsministerium, das Jugendlichen bewusst machen soll, wie viele ihrer über das Internet verschickten Fotos auch Jahre später noch auffindbar sind. „Man hat keine Kontrolle darüber, was mit Fotos geschieht, die auf sozialen Medien online gestellt werden“, warnt Kampel und zitiert den amerikanischen Journalisten Roger Chesley: „Es gibt keine Privatsphäre – komm damit klar.“

Kampels Team hat eine Software mit dem Namen The Profiler entwickelt, die genau das sichtbar macht. Sie funktioniert ähnlich wie eine Suchmaschine, die gezielt Personen findet. Namensgleiche Leute können bei der Suche ausgeschlossen werden, sodass schnell erkennbar wird, wo welche Fotos von jemandem gespeichert sind – und was man daraus alles ablesen kann. „Eines der Forschungsziele ist es, die Emotionserkennung in Bilddaten zu verbessern“, so Kampel. Damit erkennt die Software, welche Gefühlslage die abgebildete Person hat – auch wenn nur Teile des Gesichts auf dem Foto erkennbar sind oder das Bild verwackelt ist. Auch Alter und Geschlecht der abgebildeten Person errechnen die Algorithmen in Sekundenschnelle.

Die am Projekt beteiligten Schüler des Gymnasiums Draschestraße in Wien 23 waren verblüfft, als sie die Ergebnisse der Profiler-Suche sahen. „Du bist 17 Jahre alt und ein Mädchen. In 30 gefundenen Bildern sind deine Top-Emotionen: 15-mal glücklich, dreimal zornig, zweimal angewidert“, könnte ein Profiler-Bericht etwa lauten. „Zudem zeigt das Programm, wie einfach Bilder automatisch manipuliert werden können: etwa einen Bart hinzufügen.“ Dass man darauf genauso wenig Einfluss hat wie darauf, wo eventuell Halbnacktfotos, die man Freunden schickt, irgendwo wieder auftauchen, schockiert manche.

Am Forschungsprojekt sind auch Soziologen der Uni Graz beteiligt, um den Umgang von Zehn- bis 15-Jährigen mit sozialen Medien, Internet und Smartphone zu untersuchen. „Durch neue Technologien ändert sich das User-Verhalten der Jugendlichen sehr rasch. Das ist für uns Forscher eine große Herausforderung.“ (vers)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2015)

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