Tropisch, exotisch: Do it yourself

Zero Carbon Ressort
Zero Carbon Ressort(c) GrAT
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Österreichische Forscher wurden für ihr energieeffizientes Tourismusresort auf den Philippinen mit dem Global Human Settlement Award ausgezeichnet.

Weltweit gibt es Architekten, die im Prinzip gut ausgebildet sind, aber an den Universitäten lernen sie vornehmlich modern zu sein: Sie bauen – nach europäischem und nordamerikanischem Vorbild – die Stromversorgung sowie Klima- und Warmwasseraufbereitungsanlagen in den Gebäuden ein. „Das ist gerade bei Touristenresorts auf Inseln furchtbar ineffizient“, sagt Robert Wimmer, Geschäftsführer der Gruppe angepasster Technologie (GrAT) an der TU Wien.

Ein Dieselgenerator besorgt auf den meisten entlegenen Inseln den benötigten Strom. Der Diesel selbst muss mit Booten herangeschafft werden. Erst dann können die Touristen warm duschen. Wimmer wollte das ändern: In dem von der EU im Rahmen des „Switch Asia“-Programms geförderten Projektes „Zero Carbon Ressorts“ startete er 2009 die Entwicklungszusammenarbeit auf den Philippinen. Dort sollte ein Vorzeigemodell entstehen, das umweltschonend, nachhaltig, billig und mit der Einbindung lokaler Architekten, Ingenieuren und klein- und mittelständischen Betrieben funktioniert.

Das ist gelungen. Wimmers Projekt bekam am 30. Oktober im UN-Hauptquartier New York die internationale Auszeichnung „Global Human Settlement Award“ verliehen: „Abgesehen von der ziemlich schweren Glas-Trophäe, die ich nach Hause schleppen durfte, freut es mich, dass solche Ideen einer größeren Öffentlichkeit näher gebracht werden“, sagt Wimmer.

Begebenheiten vor Ort nutzen

Wie sieht der Baukomplex nun aus? Die Gebäudehülle ist völlig recyclebar. Es besteht aus regionalen Baustoffen, wie Bambus, Rattan, Palmblättern und Holz. Eine Solar-Anlage sorgt für die Warmwassergewinnung. Die traditionell ziegelrot oder dunkelgrün gefärbten Dächer entwickeln auf den tropischen Inseln bis zu 70 Grad Oberflächentemperatur. Gleichzeitig produzieren die meisten Hotels bis dahin mit einem Durchlauferhitzer Warmwasser mit Strom. Wimmers Team baute daher eine Fotovoltaik-Anlage auf das Dach. Dafür besorgten sie billige Stahlbleche.

Die Forscher bemalten diese schwarz, um noch mehr Sonnenlicht zu absorbieren, und dichteten sie mit von lokalen Mühlen geschenkten Reis-Spelzen ab. Die Spelzen sind das Abfallprodukt bei der Reiskorngewinnung. Diese dämmen ähnlich gut wie Styropor: „Fertig war das Do-it-yourself Solarpanel, das wegen der vor Ort vorhandenen Materialien zirka 50 Dollar kostet“, sagt Wimmer. Dadurch wird unabhängig von dieselbetriebenen Generatoren das ganze Warmwasser erzeugt. Auch beim Licht wird gespart: Ein Tageslichtbeleuchtungssystem lässt das Sonnenlicht mittels Kanälen von außen in die Räume fließen.

Das GrAT-Team bildete aber auch philippinische Architekten und Ingenieure aus. Sie führten diese schrittweise an die von Wimmer entwickelte Methode „Reduce, Replace und Redesign“ heran. Die heimischen Bauherren lernten, die vorhandenen Materialien energieeffizient und umweltschonend zu nutzen. Oder sie an anderer Stelle als dafür vorgesehen – wie bei den Reis-Spelzen als Dichtungsmaterial – einzusetzen. Dabei sollten sie aber nicht auf eine moderne Form verzichten: „Moderne ist eine Frage der Definition, der Ästhetik und der Funktionalität – nicht der Baumaterialien“, betont Wimmer.

Dass sein Touristenressort praktisch und schön ist, bestätigt sich für Wimmer: „Es reisen sogar schon junge Hochzeits-Paare an, um sich vor dem Gebäude fotografieren zu lassen“, sagt er. Touristen aus Europa oder Nordamerika wollen ohnehin ein „exotisches Erlebnis haben und nicht in einem Betonbunker übernachten“. Auch die lokalen Medien haben die Ideen und die Umsetzung überwiegend positiv aufgenommen.

Gerade weil die Forscher die lokalen klein- und mittelständischen Firmen im Projekt mit einbeziehen. Diese liefern nicht nur Materialien an, sondern integrieren auch ihre Kenntnisse. Menschen leben seit hunderten Jahren auf den Philippinen und wissen genau, wie Gebäude mit örtlichen Produkten errichtet werden können: „Wenn man einen Blick in die Vergangenheit wagt, stellt man fest, dass in vielen Regionen der Erde schon angepasste Lösungen vorhanden sind“, sagt Wimmer.

Das Team wollte auch einen neuen Markt schaffen. Daher hat es am Ende des Projektes noch ein „Green Suppliers Network“ gegründet. Dabei werden Angebote von umweltschonenden Firmen und die Nachfrage von Hotels und Resorts auf einer Internetplattform vernetzt. Bisher sind bereits über 600 Hotels und Resorts online, die dort mit kleinen Firmen in Kontakt treten. Aber auch Privatpersonen können hier ihre effizienten Lösungen anbieten.

Globale Ideen lokal umsetzen

Die nun ausgezeichnete „Zero Carbon Ressorts“-Strategie kann auch weltweit funktionieren. Die globale Idee, verbunden mit lokalem Wissen, Material und Arbeit, ist in der Entwicklungszusammenarbeit in Afrika oder in anderen Teilen Asiens durchführbar: Daher wird das GrAT-Projekt nun auf Thailand ausgeweitet. Wimmer hat Ähnliches in dem vom Erdbeben geplagten Nepal vor. Hier möchte er eine Schule für Jungen und Mädchen im schwer zugänglichen Westen des Landes errichten. Bei beiden Projekten soll ein Demonstrationsgebäude entstehen: Ein Vorbild für die nächsten Bauvorhaben. So sollen rund um solche Vorbild-Anlagen in konzentrischen Kreisen weitere effiziente Resorts entstehen.

Wobei das Konzept nicht bei Touristen-Objekten Halt machen muss: „Die Idee kommt ursprünglich aus der Industrie“, sagt Wimmer. Dort hatte er als Experte gearbeitet, um besonders in Produktionsfirmen Ressourcen einzusparen. Diese Arbeit war dann der Auslöser, um in die Tourismusbranche zu wechseln: „Denn hier erreicht man auch noch die letzte entlegene Insel“, sagt Wimmer.

Das Schwestern-Haus des philippinischen Projektes steht in Böheimkirchen in Niederösterreich. Beiden Häusern ist ein minimaler Verbrauch und die Nutzung lokaler Materialien gemein. Die Bauherren verwendeten hier die Materialen Lehm, Stroh und Holz.

LEXIKON

Der Global Human Settlements Award wird jährlich von der Organisation Global Forum on Human Settlements in Kooperation mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen in New York vergeben. Damit werden jährlich Städte, Unternehmen oder Personen geehrt, die sich vorbildlich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen. Die Auszeichnung soll die Umweltschutzziele der Vereinten Nationen vorantreiben. Heuer wurde die Gruppe Angepasste Technologie (GrAT) an der TU Wien für emissionsfreie Gebäude, die dem nachhaltigen Tourismus auf den Philippinen dienen, ausgezeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2015)

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