Für Forscher selten: Raum für ungestörtes Denken

LEITUNG DES KONRAD LORENZ-INSTITUTS: JOHANNES J�GER
LEITUNG DES KONRAD LORENZ-INSTITUTS: JOHANNES J�GER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Biologie. Im Klosterneuburger Konrad-Lorenz-Institut zerbrechen sich Denker aus aller Welt die Köpfe über biologische Fragestellungen: Heuer bekam es eine neue wissenschaftliche Leitung, 2014 ein neues Institutsgebäude.

„Hier kann man ungestört denken, und das ist für Wissenschaftler heute wahrhaftiger Luxus“, beschreibt Johannes Jäger seinen Arbeitsplatz, das Konrad-Lorenz-Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung (KLI) in Klosterneuburg. Seit Sommer 2015 ist er der wissenschaftliche Direktor dieses österreichischen Thinktanks für theoretische Biologie. Gegründet 1990 vom österreichischen Zoologen und Evolutionstheoretiker Rupert Riedl und geleitet durch Gerd Müller, besteht das Klosterneuburger Institut nun seit 25 Jahren. Im Sinne Riedls und dessen nahen Freundes Konrad Lorenz beschäftigten sich hier Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen mit Fragen der Evolutionsbiologie.

Heute widmen sie sich auch der Analyse von allgemeinen biologischen Theorien sowie ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutung. Mehrheitlich finanziert durch eine private Stiftung nützte das KLI noch bis 2013 die Villa der Familie Lorenz in Altenburg bei Wien. 2014 konnte es nach zwei Jahren Renovierung und Adaption neue Räumlichkeiten im denkmalgeschützten ehemaligen Kremsmünsterhof im Zentrum von Klosterneuburg beziehen.

Das Institut orientiert sich an einer Reihe internationaler Institutes of Advanced Studies. „Das sind von Universitäten unabhängige Zentren für intellektuellen Austausch ohne disziplinäre Grenzen und ohne finanziellen Druck – leider gibt es dafür im normalen Universitätsalltag fast keinen Platz mehr“, erklärt Johannes Jäger. Prominente Beispiele dafür sind das IAS in Princeton oder das Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Auch beim KLI besteht durch die Unterstützung privater Stifter Unabhängigkeit von der Universität und zudem die räumliche Nähe zu hochqualitativen Forschungsstätten in Wien und Niederösterreich. Derzeit arbeiten sieben Wissenschaftler mit Fellowship-Stipendien der Stiftung von bis zu einem Jahr in der Denkfabrik: Mathematiker, Biologen und Wissenschaftsphilosophen.

Wie entstehen Lebensformen?

Sie erforschen theoretisch – also ohne Experimente im Labor –, wie Organismen funktionieren und wie die Evolution zur Ausbildung der Lebensformen, wie wir sie heute sehen, geführt haben könnte. „Wir untersuchen auch, was Leben von unbelebter Materie unterscheidet. Lebendige Organismen haben Eigenschaften, die wir in keinem anderen System finden können. Dieser Unterschied muss aber noch eindeutig etabliert werden“, so Jäger. Er möchte das Institut, das nun eine modernisierte Infrastruktur und vergrößerte Räumlichkeiten bietet, auch inhaltlich und personell weiterentwickeln.

So soll es noch mehr Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten, sich frei von Verpflichtungen auf ein Thema zu konzentrieren. Denn tatsächlich können vor allem Naturwissenschaftler ihr Labor meist nicht für ein ganzes Jahr verlassen. „Wir wollen daher in Zukunft vermehrt auch kurzfristigere Besucher willkommen heißen“, sagt Jäger. Damit sollen auch Forscher, die normalerweise nicht theoretisch arbeiten, angesprochen werden. Die Forschungsergebnisse werden in wissenschaftlichen Magazinen publiziert; außerdem gibt es eine Buchserie und ein eigenes Journal am KLI. Da man kein Elfenbeinturm sein will, wird 2016 wieder die Rupert-Riedl-Vorlesung stattfinden: Sie soll die Öffentlichkeit für biologische Probleme begeistern.

ZUR PERSON

Johannes Jäger,gebürtiger Schweizer, ist Evolutionsbiologe und Entwicklungsgenetiker. Bisher forschte er in Basel, New York, Cambridge und Barcelona, u.a. zur Evolution von Insekten. 2013 ging er an das Wissenschaftskolleg zu Berlin. Seit Sommer 2015 ist Jäger wissenschaftlicher Direktor des KLI. [ KLI ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2015)

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