Neue Auswege aus dem Hamsterrad finden

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Was bei Burn-out im Körper passiert, ist bis heute wissenschaftlich noch nicht restlos geklärt. Grazer Forscher baten Probanden zum Belastungstest. Mehr Wissen soll eine bessere Diagnose und Behandlung ermöglichen.

„Derzeit beruht die Diagnose Burn-out auf einer rein subjektiven Symptombeschreibung der Patienten“, sagt Claudia Traunmüller vom Institut für Psychologie der Uni Graz. „Eindeutige Diagnosekriterien fehlen.“ Burn-out ist nach wie vor kein eigenständiges Krankheitsbild in der internationalen Klassifizierung psychischer Erkrankungen, sondern „nur“ eine Zusatzdiagnose, die im Zusammenhang mit einer Hauptdiagnose wie einer Depression oder einer Anpassungsstörung gestellt wird. „Es verwundert daher, dass sich rund um das Thema Burn-out ein großes Tätigkeitsfeld wie Beratungszentren etabliert hat, in dem man zu wissen vorgibt, wie ihm vorgebeugt und wie es behandelt werden kann“, so Traunmüller.

Was bei Burn-out im Körper vor sich geht, ist wissenschaftlich noch nicht restlos geklärt. Ohne detailliertes Wissen über die körperlichen und psychischen Regulationsmechanismen bei psychischen Dauerbelastungen ist jedoch eine seriöse Behandlung kaum möglich. Den Vorgang im Körper aufzuklären und dementsprechende Diagnosekriterien aufzustellen ist die Intention des Grazer Forscherteams rund um den Gesundheitspsychologen Andreas Schwerdtfeger.
In dem von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) und Pensionsversicherungsanstalt (PVA) finanzierten Forschungsprojekt „Burnout: Psychobiologische Validierung einer umstrittenen Diagnose“ werden in Kooperation mit Peter Hofmann, Sportwissenschaftler an der Uni Graz, verschiedene psychobiologische Daten gesammelt, um Burn-out wissenschaftlich fassbarer zu machen.

Die zwei Achsen von Stress

Das Projekt nimmt sich dafür die wesentlichen Körperfunktionen bei Stress vor. „Man muss sich beide Stressachsen im menschlichen Körper eines Patienten ansehen, was aber oft nicht gemacht wird“, so Traunmüller. „Oft werden nur Teilbereiche eines Stranges untersucht.“ Die eine Achse verläuft über die Hypophyse, die Hirnanhangsdrüse, und die Nebennierenrinde. Hier kommt es zur Ausschüttung von Cortisol. Die andere führt über das Nervensystem, das die typischen Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin freisetzt. Beide Achsen werden sehr wahrscheinlich von der körperlichen Fitness mit beeinflusst.

Die Grazer Forscher wollen herausfinden, welche biologischen und physiologischen Faktoren neben verschiedenen psychologischen Kenndaten auf ein Burn-out hinweisen. Im Projekt wurden über 100 Personen aus einem psychisch belastenden Arbeitsumfeld umfassend getestet. Untersucht wurden der Herzrhythmus mittels 24-Stunden-EKG, die Menge an Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin und Cortisol im Urin und im Speichel, der Blutdruck unter akutem psychischen Stress sowie die subjektive Bewertung der Arbeitsbelastung und des persönlichen Umgangs mit Stress mittels Fragebögen.

Zur Erfassung der körperlichen Fitness absolvierten alle Teilnehmer einen Belastungstest auf dem Fahrradergometer, bei dem sie bis zu ihrer Belastungsgrenze treten mussten, während Sauerstoffverbrauch und Laktatkonzentration im Blut gemessen wurden. Die Fitnessdaten werden nun mit den anderen Messdaten in Beziehung gesetzt.

Aktuell werden die Daten gerade ausgewertet. Es lässt sich jedenfalls daraus bereits ablesen, dass sich das komplexe Phänomen Burn-out nur mithilfe einer Kombination aus physischen und psychischen Kenndaten erklären lässt.

Lexikon

Stresshormone helfen dem Körper, in belastenden Situationen schnell Energiereserven zu mobilisieren. Dazu gehören unter anderem Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol. Cortisol erhöht die Stoffwechselvorgänge und setzt aus den Zellen Glucose – also Blutzucker – als Energievorrat frei. Adrenalin erhöht u. a. den Blutdruck und die Herzfrequenz. Noradrenalin kontrahiert die großen Gefäße, erweitert die Herzkranzgefäße und steigert den Blutdruck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2016)

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