Technik lässt wedeln statt warten

Logistik. Ein Linzer Jung-Unternehmen entwickelt ein softwarebasiertes Warteschlangen- und Besucherstrom-Management. Ziel sind kürzere Stehzeiten durch die automatisierte Lenkung und Verteilung von Menschenmengen.

Die Warteschlange ist vermutlich die gefährlichste aller österreichischen Schlangenarten. Im Supermarkt etwa kann sie den Gefühlshaushalt der in ihr gefangenen gehörig durcheinander bringen. Stichwort: Zweite Kassa, bitte! Auch vor Konzerthallen oder Skiliften herumzustehen, gehört zu den eher minderbeliebten Beschäftigungen.

Linderung verspricht das Linzer Start-up-Unternehmen Q-Go, zunächst einmal auf der Skipiste. Geschäftsführer und Mitgründer Jakob Schröger erzählt, dass die Idee auch genau dort entstanden sei. Jeder Ski- oder Snowboardfahrer kennt das Problem: Fährt man oben weg, sieht man nicht, wie viele Menschen sich weiter unten vor den unterschiedlichen Liften tummeln. Hat man Pech, steht man im Stau. „Weil man einfach nicht weiß, wenn man vor der Pistenkreuzung steht, soll man jetzt links fahren oder soll man rechts fahren“, schildert Schröger eigene Erfahrungen.

Zu Wartezeiten komme es vor allem vormittags zwischen neun und elf Uhr. Unter anderem, weil viele Frühaufsteher unter den Wintersportlern zu Beginn des Skitages erst ganz nach oben fahren, um dann auf der jungfräulichen Piste eine lange Abfahrt bis ganz nach unten in vollen Zügen zu genießen. Zurück bei der Talstation kommen sie dann aber all den länger schlafenden oder ausgiebiger kaffeetrinkenden Neuankömmlingen in die Quere, für die der Skitag etwas später begonnen hat. Das sorge oft dafür, dass die Skifahrer frustriert sind und sagen, „da haben wir ewig lang anstehen müssen“.

Busse zur nächsten Talstation

Beispielhaft erläutert Schröger die Situation eines Skigebiets in den Dolomiten: Dort habe man bis vor Kurzem sogar Busse eingesetzt, um die sich stauenden Skifahrer zu alternativen Talstationen des Skigebiets zu bringen. Inzwischen stehen oben am Berg mit Warnlichtern ausgestattete Anzeigetafeln, die fortlaufend die aktuellen Wartezeiten an den verschiedenen Liften anzeigen und die Leute damit auf einen anderen Berg lenken. So seien die Wartezeiten drastisch verkürzt worden.

Grundlage ist eine wetterfeste 1-Megapixel-Kamera mit Internet-Anschluss, die jeweils auf den Bereich vor dem Lifteinstieg gerichtet ist. Diese sendet minütlich Bilder auf die Server von Q-Go. Dort ermittelt eine Software die Zeit, die eine Person vom Beginn der Warteschlange bis zum Lifteinstieg braucht. Die aufbereiteten Analyse-Daten lassen sich dann, je nach Wunsch des Skigebiets, in einer Handy-App, auf Displays an der Piste oder andernorts anzeigen.

Unter anderem weil die übermittelten Bilder sehr grob-pixelig seien, sei die Technik in Hinblick auf den Datenschutz unbedenklich. „Man erkennt erstens überhaupt keine Gesichter, und zweitens hat keiner wirklich Zugriff auf die Bilder. Das heißt, die Bilder werden wirklich nur von der Kamera zum Server gesendet, dort verarbeitet und danach wieder gelöscht“, so der 27-jährige Unternehmer Schröger. Lohnt sich der Aufwand auch für die Liftbetreiber? Laut Schröger konnte jedenfalls das Gebiet Sextner Dolomiten seinen Pendelverkehr zwei Wochen nach Inbetriebnahme der Linzer Entwicklung im Dezember einstellen.

Panoramakarte für Skifahrer

Im Winter 2013/14 gewann das vom Austria Wirtschaftsservice (aws) geförderte Linzer Start-up sein erstes Skigebiet als Kunden. Damals lag das Augenmerk noch darauf, die Wartezeiten per Handy-App zur Verfügung zu stellen. Das wird auch in Zukunft Teil der Strategie bleiben, sogar inklusive einer Panoramakarte, auf der der Skifahrer immer sieht, welche Piste er gerade hinunterwedelt. Aber nicht jeder mag bei Eis und Schnee dauernd mit dem Handy hantieren. Deshalb liegt der Clou in der Lenkung vieler Skifahrer durch Anzeigetafeln, an denen ohnehin jeder vorbeikommt. Jetzt will man die Innovation auch Freizeitparks in ganz Europa schmackhaft machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2016)

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