Neue Arznei gegen Legionellen, die sich gut tarnen

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Biomedizin. Ein österreichischer Forscher in Australien hat einen Ansatz gefunden, um Bakterien zu töten, die gegen Antibiotika resistent sind. Im Mausmodell klappt es bereits, in einigen Jahren könnte es Menschen heilen.

Jeder Krankheitserreger braucht einen Trick, um unseren Körper krank zu machen. Dringt ein Bakterium ohne Tarnung ein, kann unser Immunsystem es schnell töten. Legionellen, Salmonellen und Tuberkulose-Bakterien tricksen etwa Macrophagen aus. Das sind Zellen unseres Immunsystems, die übersetzt „Große Fresser“ heißen. Macrophagen können Eindringlinge wie Bakterien schlucken und unschädlich machen. Entweder tötet die Immunzelle den verschluckten Erreger sofort – oder sie begeht Selbstmord und reißt den gefressenen Bösewicht mit in den Tod.

Diese Bakterien schalten aber den Selbstmord der Macrophagen aus und vermehren sich gemütlich in ihnen. Sie töten die Immunzelle erst, wenn es ihnen passt, um die Infektion voranzutreiben. „An Bakterien, die sich in Körperzellen verstecken, kommt man mit Antibiotika nur schwer heran“, sagt Thomas Naderer. Der Niederösterreicher lebt seit 15 Jahren in Melbourne, Australien, wo er an der Monash University im Biomedicine Discovery Institute an Legionellen forscht. „Als Mikrobiologe untersuche ich schon lang, wie sich Bakterien innerhalb von Körperzellen verhalten“, sagt Naderer.

Wie bekommen sie die Kontrolle über Leben und Tod der Immunzelle? Sein Kollege James Vince vom Walter and Eliza Hall Institute in Melbourne ist Experte für den Macrophagen-Selbstmord. Gemeinsam kam den Forschern die Idee, zuerst den Macrophagen zu töten, um die Bakterien darin zu eliminieren. „Wir haben eine Reihe von Arzneien getestet und wirklich eines gefunden, das Macrophagen töten kann – und zwar nur jene, die schon infiziert sind“, sagt Naderer.

Selbstmord der Zellen nutzen

Es scheint bahnbrechend: Endlich ein Ansatz, wie man Legionellen, aber vielleicht auch Salmonellen und andere Erreger beseitigen kann, die sonst vor Antibiotika gefeit sind. „Dies hat gezeigt, dass man menschliche Proteine ausschalten kann, um Erreger zu bekämpfen – ein vielversprechender Ansatz, um Antibiotika-Resistenzen in den Griff zu bekommen.“

Das Medikament, auf dem nun die Hoffnung ruht, fanden Naderer und Kollegen in der Krebsforschung. Dort wird der Protein-Hemmer eingesetzt, um Krebszellen zu töten. Denn auch Tumoren haben Tricks, um den Zellselbstmord, der für unser aller Gesundheit wichtig ist, auszuschalten – und dadurch unkontrolliert zu wuchern. Eines der Medikamente, das den Selbstmord in Krebszellen wieder ermöglicht, kann auch Macrophagen in den Selbstmord schicken. Aber nur dann, wenn diese schon ein Bakterium geschluckt haben. „Der Macrophage hat zwei Proteine, die sein Überleben sichern: Eines schaltet das Bakterium aus, sobald es die Kontrolle über den Macrophagen übernimmt.“ Das zweite Protein ist damit wie eine Achillesferse: Die neue Arznei kann dieses Protein blockieren und die infizierte Immunzelle töten. „Entweder kann das Immunsystem danach die Infektion beenden oder wir kommen mit Antibiotika an die freigesetzten Bakterien heran, die zuvor in der Immunzelle noch unerreichbar waren“, erklärt Naderer.

Im Mausmodell konnten bisher keine Nebenwirkungen festgestellt werden: Bei den gesunden Macrophagen blockiert die Arznei zwar auch eines der wichtigen Proteine, doch die haben ja noch das andere lebenswichtige Protein und können ungestört ihrer Aufgabe nachgehen: Bakterien fressen und diese unschädlich machen.

Zum Paper

Der Artikel "Eliminating Legionella by inhibiting BCL-XL to induce macrophage apoptosis" erschien im März 2016 im Fachjournal Nature Microbiologie


http://www.nature.com/articles/nmicrobiol201534

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2016)

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