Die Erwärmung tut in Amerika vielen wohl

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Die Warnungen vor katastrophalen Folgen finden in den USA deshalb so wenig Gehör, weil sie schlecht zur Erfahrung passen: Fast im gesamten Land ist das Wetter in den vergangenen 40 Jahren besser geworden.

Wenn man die Elche fragen könnte, was sie vom Klimawandel halten, wäre die Antwort klar: Zwar hat der UNO-Klimabeirat IPCC 2007 prognostiziert, „40 bis 70 Prozent“ der Arten würden durch die Erwärmung verschwinden. Aber bisher ist davon nichts zu sehen, nicht eine Art ist ausgestorben. Im Gegenteil, viele haben davon profitiert, dass sie ihre Lebensräume ausweiten konnten. Etwa die Schmetterlinge: Ihre britischen Freunde von der Butterfly Conservation freuten sich in ihrer Jahresbilanz 2011 darüber, dass der Admiral (Vanessa atalante) nicht länger nur Sommergast auf der Insel ist, sondern auch im Winter dort bleibt.

Nun kommen zu den Klimagewinnern die Elche hinzu, überall dringen sie aus den Wäldern des Nordens noch weiter nach Norden vor, in die Tundren. Für Alaska hat Ken Tape (University of Alaska) es dokumentiert: In den dortigen Tundren gab es sie im frühen 20. Jahrhundert kaum, inzwischen sind sie Hunderte Kilometer vorgewandert, weiter geht oft nicht, sie sind schon an den Küsten.

Wie das? Um 1860 herum wuchsen die Sträucher 1,1 Meter hoch, anno 2009 waren es zwei Meter. Das machte auch im Winter und bei viel Schnee Futter zugänglich: „Die starke Ausbreitung der Elche nach Norden war eine Antwort auf den Wandel des Klimas und der Vegetation.“ (PLoS ONE 13. 4.)

Mildere Winter, kaum heißere Sommer

Die Elche kann man natürlich nicht fragen, bei den Menschen kann man es, und man kann auch ihre bevorzugten Habitate erheben. Bei deren Wahl spielt das Klima mit: Im Winter soll es nicht allzu kalt sein, im Sommer nicht allzu drückend und heiß. Das ist es fast überall in den USA in den vergangenen 40 Jahren geworden, Patrick Egan (New York University) und Megan Mullin (Duke) haben es erhoben: In dieser Zeit, von 1974 bis 2013, wurden die Winter um 0,58 Grad pro Jahrzehnt wärmer, die Sommertemperaturen hingegen stiegen kaum merkbar (0,07 Grad/Jahrzehnt), zudem wurden die Sommer trockener, also weniger schwül (Nature 20. 4.).

„Steigende Temperaturen sind Symptome des Klimawandels“, erklärt Egan, „aber die Amerikaner erleben sie in Jahreszeiten, in denen Erwärmung willkommen ist.“ Ihn macht das besorgt, er prognostiziert, dass es bei fortschreitender Erwärmung weniger gemütlich wird, in 80 Prozent der USA. Aber die bisweilen flammenden Appelle von Klimaforschern und Politikern verhallen, sie passen schlecht zur Alltagserfahrung der Adressaten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2016)

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