Steirischer Fußball im Dritten Reich

Nur Wien-Klubs spielten bis 1938 in der Nationalliga. Das störte die „Provinz“.
Nur Wien-Klubs spielten bis 1938 in der Nationalliga. Das störte die „Provinz“.(c) Uni Graz
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Um ihrem Verein zu dienen, bewegten sich Funktionäre oft an der Grenze zum Fanatismus. Der Grazer Sportclub verhängte etwa ein vorauseilendes Platzverbot für Juden.

Einen Tag nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland spielte der GAK gegen Austria Graz. Die Mannschaft lief mit Hakenkreuzen auf den Trikots auf und leistete vor und nach dem Spiel geschlossen den deutschen Gruß.

„Der GAK ist ein Extrembeispiel für den starken Hang zum Opportunismus vieler steirischer Vereine“, sagt Walter Iber, Historiker am Institut für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte der Uni Graz. Die offizielle Verordnung, dass Mannschaften den Hitlergruß ausüben müssen, kam erst später. Der GAK handelte im vorauseilenden Gehorsam. So wie auch der Grazer Sportclub, der bereits im November 1938 ein Judenverbot auf seinem Sportplatz verkündete, obwohl noch keine politische Verpflichtung dafür bestand.

In der historisch nüchternen Retrospektive handelten etliche Vereine opportunistisch, viele würden sagen egoistisch – nicht nur der GAK und der Grazer Sportclub, auch andere erfolgreiche steirische Vereine der Zwischenkriegszeit, wie Sturm Graz, SC Kapfenberg, SV Donawitz, der Grazer Sportklub Straßenbahn oder der SV Südbahn Graz. Das Vereinswohl stand im Vordergrund. Um das zu gewährleisten, eilten manche voraus. Funktionäre dachten von Spiel zu Spiel. Politische Rahmenbedingungen berührten sie nur marginal. Die Hauptsache war – auch während des Krieges –, jede Woche eine konkurrenzfähige Mannschaft auflaufen zu lassen.

Das ist auch die Kernaussage des kürzlich im Leykam-Verlag erschienenen Buches von Iber: „Erst der Verein, dann die Partei“.

Der Fußball kommt zuerst

Angeregt durch die historische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Rapid Wien suchte Iber mithilfe des steirischen Fußballverbandes, der Vereine und von Privatpersonen nach relevanten Dokumenten und verglich diese mit offiziellen parteipolitischen Verordnungen, die er in Berliner und Grazer Archiven ausheben konnte. Fazit: Parteipolitik spielte in den steirischen Vereinen kaum eine Rolle – auch wenn diese dafür sorgte, dass sich steirische Vereine außerhalb des Bundeslandes messen konnten. Bis 1938 war die österreichische Nationalliga de facto eine Wiener Liga. Nun konnte sich etwa Sturm 1940 Größen wie dem damaligen deutschen Spitzenverein 1. FC Nürnberg messen.

Nur die Vereinsspitzen wurden von den Nazis ausgetauscht. Bei anderen Funktionsämtern herrschte eine hohe Kontinuität. Die Funktionäre blieben, gerade weil sie sich in erster Linie um den Fußball kümmerten. Sprich: Um Transfers, Spieler-Abwerbungsversuche, Sportanlagen, Trainings und Spiele.
Das lief der nationalsozialistischen Führung zuwider, denn der Vereinspluralismus entsprach so gar nicht der Vorstellung einer „gesunden Volksgemeinschaft“. Erst nach dem „Endsieg“ sollten „Ortssportgemeinschaften“ entstehen, womit Fusionen von Traditionsvereinen einhergegangen wären – ein heißes Eisen, das während des Krieges nicht angefasst wurde.

„Natürlich war der Vereinsegoismus mit Ignoranz verbunden, da die damaligen Rahmenbedingungen extrem waren. Funktionäre entwickelten einen typischen Tunnelblick, der sich zum Teil hart an der Grenze zum Fanatismus bewegte“, sagt Iber. Als die personellen Ressourcen wegen der Einberufungen zum Kriegsdienst beinah erschöpft waren, tauchten etwa bei Sturm Graz niederländische Namen im Kader auf. Diese Spieler holte sich Sturm aus der Kaserne im Grazer Stadtteil Wetzelsdorf, wo die Waffen-SS untergebracht war und wo flämische und niederländische SS-Männer stationiert waren. Dort gab es Sichtungsspiele, bei denen sich Funktionäre die begabtesten Spieler angelten.

Fremdarbeiter und Juden

Dass sich auch Fremdarbeiter in den steirischen Kadern befanden, will Iber nicht ausschließen, konnte es aber nicht explizit nachweisen. Bei westlichen Fremdarbeitern sei das aber durchaus vorstellbar. „Ostarbeiter“ spielten wegen der NS-Rassenideologie wohl eher nicht. Für Juden war kein Platz. Der jüdische Verein Hakoah Graz wurde, wie sein Pendant Hakoah Wien, unmittelbar nach dem Anschluss verboten. Sein Vermögen, bestehend aus etwas Bargeld und einem Plattenspieler, wurde ihm entzogen. Sportlich forderte Hakoah Graz die großen steirischen Mannschaften nur in den 1920er-Jahren. Ergebnisse sowie Spielerlisten der laufenden Meisterschaft 1938 wurden von den Nazis vollständig gelöscht. Hakoah sollte nicht einmal auf dem Papier bestehen bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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