Komposttoiletten als Lebensretter

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Indischer Erfinder erhält Preis für Klo, das Exkremente in Dünger verwandelt und Wasser sparen hilft.

KOPENHAGEN. Er sagt, die verzweifelte Bitte eines Mädchens habe ihn zu seiner Erfindung angeregt: Es musste Latrinen reinigen, mit seinen Händen den Unrat aus den Kübeln entfernen, in die andere ihre Notdurft verrichtet hatten. Das ist eine Arbeit für Indiens „Kastenlose“, die jene, die sie ausführen, als „unberührbar“ abstempelt. Das Flehen des Mädchens, von der erniedrigenden Arbeit befreit zu werden, veranlasste den indischen Soziologen Bindeshwar Pathak, der sich seit den 1960er-Jahren für die Rechte der Dalit eingesetzt hatte, einfache Toiletten zu entwickeln, in denen die Exkremente kompostiert werden.

Am Donnerstag wird der 66-Jährige bei der Stockholmer Weltwasserwoche mit dem 150.000 US-Dollar schweren Wasserpreis ausgezeichnet – als Beispiel dafür, was „ein Mensch zum Wohlergehen von Millionen“ beitragen kann, wie die Preisjury erklärte.

650 Millionen ohne Toiletten

Die Toiletten, mit denen bisher 1,2 Millionen Haushalte ausgestattet worden sind, lassen sich auch von armen Familien einfach bauen: Sie bestehen aus einem Sitzbrett oder einem Loch im Boden. Mit einer geringen Menge Wasser wird der Unrat in einen mit Ziegeln verkleideten Brunnen gespült und in eine von zwei Latrinen geleitet. Ist die eine gefüllt, wird die andere in Betrieb genommen, während der Inhalt der ersten zu Kompost vermodert, der als Düngemittel verwendet werden kann.

Während konventionelle Toiletten pro Spülung drei bis zehn Liter Wasser verbrauchen, kommt Pathaks System mit 1,5 Litern aus. Und niemand muss die Exkremente berühren. Die Verwendung der Toiletten reduziert die Verschmutzung und die Seuchengefahr, die von den landläufigen Kübellatrinen oder der Verrichtung der Notdurft im Freien ausgeht.

„Es ist ein Irrglaube, dass dies nur die Armen in Indien betrifft“, sagt Pathak. „Auch die Häuser vieler Reicher haben keine Toiletten.“

650 Mio. Indern fehlen sanitäre Anlagen. Auch mit der Errichtung öffentlicher Zahltoiletten, die an 7500 Orten rund zehn Millionen Menschen versorgen, trug Pathak zur Reduzierung dieser Unterversorgung bei. Doch das Problem ist gigantisch. Die Verseuchung von Gewässern durch Kolibakterien zählt nicht nur in Indien zu den schlimmsten Gesundheitsgefahren. Nach Schätzungen des UN-Kinderhilfswerks Unicef fehlt weltweit einer Milliarde Menschen der Zugang zu sauberem Trinkwasser. Rund 4500 Kinder sterben täglich an den Folgen von verschmutztem Wasser und mangelnder Hygiene.

Der Zugang zum Lebenselixier ist global höchst ungleich verteilt. Ein in der westlichen Welt geborenes Kind verbraucht in seinem Leben 30- bis 50-mal so viel Wasser wie eines in einem Entwicklungsland. Auf der Weltwasserwoche ist der Überverbrauch Hauptthema.

Kampf gegen Wassermangel

70 Prozent der Süßwasservorkommen werden von der Landwirtschaft konsumiert, oft durch ineffektive Bewässerungsanlagen. Laut den Vereinten Nationen wird schon 2030 die halbe Weltbevölkerung in Gebieten leben, die unter Wassermangel leiden. Die durch den Klimawandel verursachten Temperaturschwankungen verschärfen nach Ansicht der 2400 in Stockholm versammelten Experten die Notwendigkeit, die Vergeudung von Wasser zu minimieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2009)

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