Oxytocin: Hormon des Vertrauens? Für Männer nicht!

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Oxytocin, der Botenstoff, der lang als sozialer Klebstoff par excellence galt, zeigt ein zunehmend differenzierteres Gesicht: Es wirkt geschlechtsspezifisch. Ob auch kulturspezifisch, ist noch nicht erkundet.

Kein Biomolekül hat in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung eine Karriere gemacht wie das, bei dem man 1906 bemerkt hat, dass es beim Gebären hilft. Man nannte es danach, Oxytocin (leicht gebärend), und man merkte bald, dass es auch nach der Geburt hilft, es lässt die Milch fließen.

Das tut es auch bei anderen, die mit Milch füttern, Oxytocin wird von manchen Bauern eingesetzt – in die Euter gespritzt –, wenn Kühe beim Melken nichts geben, damit wird mancherorts solcher Missbrauch getrieben, dass das indische Gesundheitsministerium eben die Polizei auf den ausufernden Schwarzmarkt angesetzt hat, wegen „schädlicher Folgen für Menschen und Tiere“.

Aber was soll es für Schaden bringen, wenn Menschen mehr davon im Leib haben, ist Oxytocin nicht auch der soziale Klebstoff par excellence? Es ist nicht nur ein Hormon – bei Geburt und Milchfluss –, es ist auch ein Neurotransmitter: Mit ihm fließt das Vertrauen zwischen Mutter und Kind, das ist unstrittig. Bei allem anderen ist etwas Misstrauen angebracht gegen das, was auch „Hormon des Vertrauens“ genannt wird.

Wie viel Wühlmaus ist der Mensch?

Diesen Ruf hat Oxytocin von zwei Arten von Wühlmäusen in den USA, die einen leben monogam und treu, bei den anderen streifen die Männchen herum. Die haben weniger Oxytocin bzw. Rezeptoren dafür im Gehirn. Irgendein findiger Forscher kam auf die Idee, die Rolle als Neurotransmitter auch bei Menschen zu testen, mit Oxytocin, das als Nasenspray verabreicht wurde. Das brachte einen Tsunami von Erfolgsmeldungen: Oxytocin schuf Vertrauen zwischen Wildfremden, es stärkte die Empathie und den Altruismus.

Viele Studien konnten allerdings nicht repliziert werden, und davon war wenig zu lesen. Zum Thema machten das belgische Forscher, denen es an der eigenen Arbeit auffiel, sie vermuteten einen „publication bias“: Veröffentlicht werde nur das Positive (Journal of Neuroendocrinology 2. 6.). Immerhin, manches kam auch über die dunkleren Seiten des Oxytocin heraus: Es stärkt zwar Vertrauen und Zusammenhalt, aber nur den innerhalb der Gruppe, nach außen macht es betrügerisch und aggressiv.

Und es wirkt je nach Geschlecht ganz anders, das hat sich im Labor von Keith Kendrick (Chengdu) gezeigt: Da ließ man Probanden Fotos von Menschen betrachten, die zugleich durch Äußerungen über andere – lobende, abwertende, neutrale – charakterisiert wurden. Dann kam der Nasenspray: Die weiblichen Testpersonen wandten ihre Aufmerksamkeit (und Empathie) denen zu, die andere gelobt hatten, die Männer konzentrierten sich (und ihre Abneigung) auf die mit abwertenden Äußerungen (Pnas 20. 6.).

Die Forscher deuten das so, dass Frauen die Familie im Inneren hegen und Männer ihre Augen auf Bedrohungen von außen halten. Aber, wer weiß? Die Probanden waren Chinesen: Vielleicht spielen auch Abstammung und Kultur mit beim Wunderhormon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2016)

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