Neue Methode für alte Instrumente

Das Material macht die Musik. Sowohl die Materialmischung als auch die Verarbeitung bestimmen den Klang der Posaune.
Das Material macht die Musik. Sowohl die Materialmischung als auch die Verarbeitung bestimmen den Klang der Posaune.mdw
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Nicht nur die Form eines Musikinstruments beeinflusst dessen Klang, sondern auch das Material und die Verarbeitung. Wiener Forscher erkunden den Originalklang von Barockposaunen.

Kein Blechblasinstrument klingt wie das andere. Aber nicht nur weil es unterschiedliche Typen von Blechblasinstrumenten wie Posaunen, Trompeten, Hörner und Tuben gibt, sondern weil sich auch die Instrumente eines Typs unterscheiden. In einem sind sich alle Instrumentenkundigen einig: Die Form hat einen hörbaren Effekt auf den Klang. In einem zweiten Detail prallen zwei Meinungen aufeinander: Wie verhält es sich mit dem Material?

Physiker sind der Ansicht, dass die schwingende Luftsäule im Instrument, die durch das Blech in Form gebracht wird, durch das Material nicht beeinflusst wird. Das Material hat also auf den Klang keine Auswirkung, rein die Instrumentenform. Instrumentenbauer und Musiker hingegen schwören darauf – auch wenn sie es bislang nicht beweisen konnten –, dass das Material sehr wohl auf die Qualität der Instrumente einen Einfluss hat. Die durch das Blech erzeugten Vibrationen seien während des Spiels durchaus spür- und hörbar. Zweiteres auch für Musiklaien.

Das Institut für Wiener Klangstil der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (MDW) befasst sich seit Jahren mit den Materialeigenschaften von Blechblasinstrumenten, vor allem von Hörnern, und deren Klangeffekten. Die Forscher rund um Wilfried Kausel nehmen Materialproben und analysieren im Labor den Einfluss von Wandschwingungen auf den Klang. Dazu wurde ein in einer Wanne liegendes Horn künstlich angeblasen, während der Ton gedämpft wurde: Die Forscher ließen in die Wanne Sand rieseln.

Sand in der Wanne als Beweis

„Wir haben also die Schwingungen des Blechs während des Spiels sukzessive gedämpft“, erklärt der ehemalige Bassgitarrist und Elektrotechniker Wilfried Kausel, Professor für Musikalische Akustik. Mit der Sandmenge veränderte sich das Klangspektrum des Horns. Ein direkter Beweis, dass sich die Wandschwingungen auf den Klang auswirken.

Im nächsten Schritt versuchten die Akustikforscher, die Vibrationen zu identifizieren, die für diese Klangunterschiede verantwortlich sind. Dabei stießen sie auf Längsschwingungen des Schallbechers ähnlich jenen einer Lautsprechermembran. Sie hatten den stärksten Effekt. Je größer das Instrument ist, desto stärker ist diese Schwingung. Zuvor angestellte Berechnungen der Schwingungen stimmten mit den Messungen überein. „Damit können wir die bislang auf Beobachtungen basierenden Meinungen von Instrumentenbauern und Musikern wissenschaftlich belegen“, so Kausel.

„Derzeit sind wir gerade dabei zu untersuchen, ob die Vibrationen auch auf die Mundstücke und damit auf die Lippen des Musikers übertragen werden.“ Die Musiker sprechen von einer guten oder schlechten Ansprache eines Blasinstruments und meinen damit, ob sie beim Anspielen eines Tons mehr oder weniger vom Instrument unterstützt werden. „Alle unsere Analysen weisen daraufhin, dass man das ganze Blechblasinstrument als schwingenden Körper sehen muss“, so Kausel.

Diese Erkenntnis ist natürlich auch für die Analyse von alten Musikinstrumenten bedeutend. Wie hat ein Musikstück aus dem 15. Jahrhundert auf den damals verwendeten Instrumenten geklungen? Ein Detail, das auch den vor Kurzem verstorbenen Dirigenten Nikolaus Harnoncourt als Pionier der historischen Aufführungspraxis beschäftigte. Um diese Frage beantworten zu können, wurden alte Instrumente bislang optisch nachgebaut. Doch das ist zu wenig, wie Kausel nachweisen konnte. Auch ein akustischer Nachbau ist notwendig, um dem Originalklang auf die Spur zu kommen.

Barockposaune gehämmert

Daher untersuchte Hannes Vereecke, Dissertant am Institut für Wiener Klangstil, in einem FWF-Projekt die Materialeigenschaften von Barockposaunen des Nürnberger Instrumentenbauers Anton Schnitzer (1558–1608). Analysen von Materialproben – nicht von alten Instrumenten, sondern von materialgleichen alten Münzen – kamen ebenso zum Einsatz wie 3-D-Scanner. Fazit des Projekts: Es macht sehr wohl einen Klangunterschied, ob das Blech wie früher gehämmert oder wie heutzutage industriell gefertigt ist.

Vereecke baute in diesem Projekt Barockposaunen aus möglichst originalem Material und anhand alter Herstellungsverfahren nach. In Zusammenarbeit mit dem Basler Instrumentenbauer Rainer Egger stattete er ein ganzes Ensemble aus der Schweiz, das Slokar Posaunenquartett, aus. Inzwischen gibt der Belgier sein Wissen an den Meisterklassen der Oskar-Walcker-Schule in Ludwigsburg weiter. An dieser renommierten Schule in Deutschland werden Holz- und Metallblasinstrumentenbauer aus aller Welt ausgebildet.

LEXIKON

Posaunen sind Trompeteninstrumente; es gibt sie zumindest seit dem 15. Jahrhundert. Sie bestehen aus einem S-förmigen zylindrischen Rohr mit Mundstück und Schalltrichter. Posaunen des Instrumentenbauers Anton Schnitzer (1558–1608) wurden nun untersucht und ein Schweizer Quartett mit nachgebauten Stücken ausgestattet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2016)

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