Die vierte Dimension des Lichtbilds

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Plenoptische Kameras nehmen kein Bild, sondern ein Lichtfeld auf. Fotografen können nachträglich Schärfe, Tiefe oder Fokus ändern: Nun ist das auch mit Panoramabildern möglich.

Ein unscharfes Urlaubsfoto ist seit dem digitalen Zeitalter der Fotografie kaum mehr möglich. Gelingt die Panoramaszene von Meer, Berg, Wüste oder Stadt nicht, so drückt der Nutzer den Kamera- oder Handyabzug so lang, bis er die gewünschte Schärfe erreicht. Doch was, wenn er im Nachhinein Schiffe auf dem Meer, Gämsen auf dem Berg, Kakteen in der Wüste oder Menschen in Städten scharf sehen will? Manchmal ist der Vorder- oder Hintergrund interessant, aber unscharf.

Digitalfotos können zwar nachbearbeitet werden, nicht aber der Fokus, die Tiefenschärfe oder die Perspektive einer Szene. Hier kommen die plenoptischen Kameras ins Spiel, denn diese „nehmen kein Bild, sondern ein Lichtfeld auf“, sagt Oliver Bimber, Informatiker und Professor für Computergrafik an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU).

Unendlich viele Möglichkeiten

Technik und Kameras gab es schon länger, für Panoramabilder funktionierte das noch nicht, da Berechnungsalgorithmen für Bildverarbeitungsprogramme bislang fehlten. Bimbers vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF gefördertes Projekt „Panorama Lichtfeld Bildgebung“ änderte das. Er schuf die mathematische Grundlage, die es nun erlaubt, Einzellichtfelder in Panoramalichtfelder umzuwandeln.

Doch was ist ein Bild, was ein Lichtfeld? Ein Bild einer herkömmlichen Kamera ist eine zweidimensionale Matrix von Bildpunkten – oder Pixel – und Farben. Die Kamera nimmt dabei nur eine Farbe und Helligkeit pro Pixel auf. Das heißt: Egal, von wo aus die Aufnahme betrachtet wird, das Bild bleibt immer dasselbe.

Ein Lichtfeld ist eine vierdimensionale Struktur, die in der Lage ist, pro Bildpunkt Informationen zu speichern. Eine Lichtfeldkamera kann pro Bildpunkt viele Farben und Helligkeiten aus unterschiedlichen Richtungen aufnehmen. Das ermöglicht nachträgliches Fokussieren, eine Tiefenrekonstruktion, eine hohe Tiefenschärfe und eine dreidimensionale Darstellung auf den Displays. Die Bilder können sogar Materialeigenschaften präsentieren, was Lichtfelder etwa für die Mikroskopie interessant werden lässt. Die Nutzer können aus einem Lichtfeld am Computer unendlich viele zweidimensionale Bilder berechnen.

Lichtfelder auf Smartphones

Das klassische Fotografieren ist mit derlei Kameras obsolet geworden. „Zwar muss der Nutzer immer noch auf die Beleuchtung achten und etwa den Blitz einschalten, sobald es dunkel ist, aber jegliche weitere Voreinstellungen fallen flach“, sagt Bimber. Der Fokus, die Perspektive, die Tiefenschärfe, oder ob die Szene weiter links oder rechts scharf sein soll, ist keine Frage des fotografischen Geschicks oder Handwerks mehr, sondern der Nachbearbeitung am Computer oder Kameradisplay.

Bimber und sein Team entwickelten zudem Methoden, die Lichtfelder in Echtzeit auf Grafikkarten darzustellen. Nun können diese nicht nur mit einer speziellen Hardware aufgenommen werden, sondern auch mit herkömmlichen Smartphones: Die Informatiker erarbeiteten einen Algorithmus, der unerfahrene Benutzer leitet, während dieser mit dem Smartphone Lichtfelder fotografiert.

Bimber arbeitet beim FWF-Folgeprojekt „Richtungsbasiertes Super-Resolution durch kodiertes Abtasten und geführtes Vergrößern“ bereits weiter an der Technologie. Die Datenmengen von Lichtfeldern sind enorm. Die Auflösung der Aufnahmen – die hier in Rays, nicht in Pixel, gemessen wird – geht in die Milliarden. Die Datenmenge soll daher reduziert werden. Dazu will Bimber berechnen, welche Informationen der Lichtfelder womöglich weggelassen oder reduziert werden können.

Die plenoptischen Kameras stehen in etwa im selben Preissegment wie ihre digitale Konkurrenz. Privat fotografiert Bimber dennoch kaum. Das Bilderknipsen überlässt der Informatiker lieber seiner Frau, die auf eine herkömmliche Digitalkamera und die traditionelle Fotografie setzt. [ Foto: Uni Linz ]

IN ZAHLEN

MilliardenRays oder Gigarays hat eine einzige Lichtfeldaufnahme. Im Vergleich: Megapixelauflösungen von Digitalkameras bewegen sich „nur“ im Millionenbereich.

4Dimensionen werden in Lichtbildern dargestellt. Zusätzlich zu einer dreidimensionalen Abbildung werden Materialeigenschaften gezeigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2016)

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