Mondsee als Hotspot der Limnologie

Bei jedem Wetter am See unterwegs: Rainer Kurmayer und sein Forscherteam.
Bei jedem Wetter am See unterwegs: Rainer Kurmayer und sein Forscherteam.(c) Wildbild
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Die Forscher am Mondsee sind auf Anpassungsforschung spezialisiert: Im Ökosystem See werden Veränderungen durch Klima oder Menschen schneller sichtbar als an Land.

Es ist ein Ort, an dem andere Menschen Urlaub machen: Das Forschungsinstitut für Limnologie der Universität Innsbruck liegt direkt am Ufer des Mondsees in Oberösterreich. Es bietet sich ein fantastischer Blick auf das Wasser, dahinter ragen der Schafberg und die Drachenwand auf. Die aquatischen Lebensgemeinschaften im Mondsee – und anderen Seen – sind das Forschungsobjekt der hier tätigen Wissenschaftler. Ausgestattet mit Wasserschöpfern, Algennetzen und Echolot nehmen sie regelmäßig Wasserproben im See. Nicht nur bei prächtigem Badewetter, sondern auch bei Regen oder mitten im Winter.

„Unser übergeordnetes Thema ist die Anpassungsforschung“, erklärt Institutsleiter Rainer Kurmayer. Es geht darum, herauszufinden ob und wie aquatische Organismen auf den Klimawandel oder auf durch den Menschen ausgelöste Veränderungen – beispielsweise Verschmutzungen – reagieren. Das Spektrum des Instituts ist weit: von der klassischen Grundlagenforschung bis zu angewandten Fragen, von Bakterien bis hin zu Fischen.

Weil die Lebenszyklen von Organismen im Wasser meist schneller ablaufen als jene von Organismen, die an Land vorkommen, werden Veränderungen rasch sichtbar. So dauert es bei einigen Ciliaten – Wimperntierchen – nur Stunden, bis die nächste Generation heranwächst. Ändern sich die Umweltbedingungen, reagieren sie schnell.

Proben aus 65 Metern Tiefe

Am Mondsee nimmt eine Forschungsgruppe rund um Bettina Sonntag die Rolle der Ciliaten im aquatischen Nahrungsnetz unter die Lupe. Dabei werden in einem internationalen DACH-Projekt mit Wissenschaftlern aus der Schweiz und Deutschland die Wechselwirkungen von Ciliaten mit anderen Mikroorganismen in den Nahrungsnetzen des Mondsees und des Zürichsees untersucht. „Wir schauen uns die Ciliatengemeinschaften in unterschiedlichen Tiefen im Jahresverlauf an“, berichtet Barbara Kammerlander, die in der Gruppe mitarbeitet. Einmal pro Monat werden Proben über die gesamte Wassersäule (65 m) im Mondsee genommen.

Eine Messboje mitten im Mondsee liefert zweimal täglich Daten per Funk an die Limnologen. Wassertemperatur, chemische Zusammensetzungen in unterschiedlichen Schichten des Sees, Algenwachstum. Wertvoll sind die langen Messreihen – die am Institut gesammelten Daten reichen mehr als 40 Jahre zurück. „Dadurch kann man Aussagen über Extremereignisse – wie besonders heiße Phasen – machen“, sagt Kurmayer. Der heiße, niederschlagsarme Sommer 2015 hat sich übrigens positiv auf die Wasserqualität ausgewirkt. Weniger Regen bedeutet weniger Nährstoffeintrag aus dem Umland. Und damit auch weniger Nährstoffe für Algen.

Nanopartikel aufspüren

Nanopartikel stehen im Zentrum eines EU-Forschungsprojekts um Josef Wanzenböck und Dunja Lamatsch. Diese winzigen Teilchen, die immer häufiger in Farben, Textilien oder Sonnencremes eingesetzt werden, gelangen über Kläranlagen oder Kosmetika ins Wasser. Was sie dort machen, ist bisher unklar. Durch die Abbauprozesse in Kläranlagen verklumpen die Nanopartikel. Sind diese winzigen Konglomerate gefährlicher als die Ausgangspartikel? Und finden sie ihren Weg in die Nahrungskette?

Bis vor Kurzem waren geringe Konzentrationen von Nanopartikeln gar nicht nachweisbar, deutsche Kollegen, die mit den Limnologen vom Mondsee arbeiten, haben die Methoden dazu entwickelt. Im Mondsee liegt die Konzentration der Nanopartikel nur knapp über der Nachweisgrenze. Geklärt werden muss, ob und wie sie in die Nahrungskette gelangen – und welche möglichen Schäden sie dort anrichten.

Die Forschungsgruppe von Claus-Peter Stelzer befasst sich mit den Genomen von Rädertierchen. Das Spannende daran: Anders als die meisten Arten haben sie keine feste, sondern eine sehr stark variierende Genomgröße. „Wir wissen nicht, warum das innerhalb einer Population so plastisch ist und was die unterschiedlichen Größen bedeuten“, erläutert Stelzer sein Forschungsgebiet. Fest steht bisher, dass Kreuzungen von Rädertierchen mit unterschiedlichen Genomgrößen funktionieren. Warum die Tierchen mehr oder weniger Genominformationen mit sich herumtragen, soll ein FWF-Forschungsprojekt beantworten.

LEXIKON

Die Limnologie(„limne“, griechisch für See) ist die Wissenschaft von den Binnengewässern als Ökosystemen. Sie umfasst alle stehenden Gewässer – vom Weiher über Teiche und Seen, sowohl jene mit Süßwasser als auch Salzwasserbinnengewässer wie das Tote Meer. Das Institut für Limnologie wurde 1972 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien gegründet, 1981 an den Mondsee verlagert und 2012 an die Universität Innsbruck transferiert. Derzeit sind acht Forschungsgruppen in die Grundlagen- und angewandte Forschung involviert. In der Lehre sollen eigene Unterkünfte den Studierenden die Reisen zwischen Innsbruck und Mondsee erleichtern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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