Wie arg wird die Erwärmung?

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THEMENBILD: D�RRE / TROCKENHEIT / LANDWIRTSCHAFT(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Modellrechnungen müssen immer neue übersehene Mitspieler integrieren: Pflanzen etwa, die Dürren mildern und Tieren Schatten bieten. Und das Eis um die Antarktis.

Wenn die globale Erwärmung voranschreitet, werden Dürren sich häufen und ausbreiten, das ist intuitiv klar. Und die Pole werden schmelzen, zumindest wird das Eis um sie herum sich zurückziehen, das leuchtet ebenso unmittelbar ein. Und das Leben wird leiden: 40 bis 70 Prozent aller Arten werden verschwinden, prognostizierte der UNO-Klimabeirat IPCC 2007.

Bisher ist noch keine verschwunden – vielleicht eine, eine Maus auf einer Insel Australiens, sie wurde schon lang nicht mehr gesichtet –, und auch sonst lassen sich die Komplexitäten des Klimas nicht so einfach in das Korsett unserer Intuition schnüren. Etwa bei Dürren: Bei ihnen prognostizieren Modelle, dass 70 Prozent der festen Erdoberfläche unter verstärkter Trockenheit leiden werden, falls die CO2-Gehalte sich in 100 Jahren auf das Vierfache des vorindustriellen Werts erhöhen. Das geht aus Formeln wie dem Palmer Drought Index hervor, in die Parameter wie Temperatur und Niederschlag eingehen.

Aber in diesen Rechnungen fehlen Wirte: die Pflanzen, sie entscheiden mit darüber, wie viel Wasser aus dem Boden gezogen wird und in die Luft entweicht. Letzteres geht durch Stomata, das sind die Poren, mit denen Pflanzen Gase mit der Umwelt austauschen. Hinaus geht Wasserdampf, herein geht CO2, als Nährstoff. Wenn seine Konzentrationen in der Atmosphäre steigen, müssen die Stomata nicht so lang geöffnet bleiben. Dann dünsten sie auch nicht so viel Wasser aus. Auf dieser Basis hat Abigail Swann (University of Washington) neu gerechnet: Dürren werden sich häufen und verstärken, aber nicht auf 70 Prozent der Landflächen, sondern auf 37, regional differenziert: Nordamerika und Südeuropa werden stärker leiden, Asien wird es weniger treffen (Pnas 29. 8.).

Antarktisches Zwischenwasser

Und natürlich häufen sie sich nur, wenn die Erwärmung voranschreitet. Aber von 1998 bis 2014 tat sie das an der Erdoberfläche allenfalls marginal, die Klimatologen nannten die Überraschung Hiatus und suchten Erklärungen. Die meisten sehen die Wärme in die Tiefen der Ozeane verfrachtet, vor allem in die um den Südpol. Aber just um den herum ist das Meereis seit 1979 gewachsen und viel von ihm wird immer weiter nach Norden verfrachtet, Richtung Äquator. Die Folgen, Alexander Hausmann (ETH Zürich) hat gemessen: Irgendwann schmilzt das Eis, das resultierende Süßwasser sinkt ein paar hundert Meter und legt sich als antarktisches Zwischenwasser wie ein Deckel über das salzige, dichte Tiefenwasser. In dem steckt eben vermutlich auch Wärme des Hiatus, und in ihm ist viel CO2 gelöst.

Beide bleiben nun unter dem Deckel, zudem ist dessen Wasser nicht CO2-gesättigt, es kann mehr aus der Atmosphäre holen (Nature 31. 8.). Wie sich das auf Dauer entwickeln und auswirken wird – das Südpolarmeer nimmt heute die Hälfte des CO2 auf, das in die Meere geht –, ist unklar. Die Auswirkungen der Erwärmung auf das Leben sind es auch, etwa bei dem Leben, das von der Sonne geheizt wird und nicht überhitzt werden darf. Eidechsen gehören dazu: Bisher wurden 40 Prozent ihrer Arten das erwärmungsbedingte Ausssterben bis 2080 vorhergesagt.

Aber wieder fehlt ein Wirt, der kühlende Schatten, in den Tiere flüchten können. Der hängt am Bewuchs: Gibt es viele kleine Schatteninseln – statt einer großen –, tun Eidechsen sich leichter, Mike Sears (Clemson) hat es erst an virtuellen Eidechsen auf dem PC und dann an echten in Mexiko beobachtet (Pnas 5. 9.): „Abhängig von der Komplexität der Umwelt mögen frühere Aussterbensschätzungen zu hoch sein oder nicht hoch genug.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2016)

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