Rosetta-Mission endet mit kontrolliertem Absturz

Artist´s impression of Rosetta spacecraft shortly before hitting Comet 67P/Churyumov–Gerasimenko
Artist´s impression of Rosetta spacecraft shortly before hitting Comet 67P/Churyumov–Gerasimenko(c) REUTERS (HANDOUT)
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Rosetta war die erste Raumsonde in der Geschichte der Menschheit, die einen Kometen länger begleitet hat. Mit dem Erlöschen des Trägersignals endete gestern ihre Mission. Die Forscher werten nun die Daten weiter aus.

Die Stimmung ist anders als bei anderen Weltraumveranstaltungen. Die Wissenschaftler in Graz und Darmstadt wirken fast entspannt. Denn anders als sonst warten die Forscher am Institut für Weltraumwissenschaften (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und im live zugeschalteten Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumagentur ESA diesmal nicht auf einen Raketenstart, sondern auf das Ende einer Mission.

Fünf Minuten vor dem errechneten letzten Signal um 13.18 Uhr und 22 Sekunden kommt dann gestern, Freitag, doch Spannung auf. Und so etwas wie Sentimentalität. Denn die anwesenden Forscher haben die Reise von Rosetta und ihrer Landeeinheit Philae zwölf Jahre lang begleitet. Mit rund einer Minute Verspätung – und damit innerhalb des vorhergesagten Toleranzspielraums – verschwindet das Trägersignal schließlich von den Monitoren. Das ist die Bestätigung dafür, dass Rosetta auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, kurz „Tschuri“, gelandet ist. Auf beiden Seiten applaudieren die Forscher. Tatsächlich liegt die Landung zu diesem Zeitpunkt bereits rund 38 Minuten zurück. So lang dauert es nämlich, bis die Daten aus dem All über eine Distanz von mehr als 700 Millionen Kilometern zur Erde gelangen – das entspricht dem vierfachen Abstand von der Erde zur Sonne.

Bis zuletzt Daten gesendet

Rosetta habe aber bis zuletzt noch Messungen und Bilder übermittelt, erklärt IWF-Direktor Wolfgang Baumjohann. Denn Europas Forscher nutzten die Chance, noch einmal aus nächster Nähe neue Daten zum Kometen zu bekommen: etwa Aufnahmen offener Gruben in der sogenannten Ma'at-Region, wo Rosetta landete. Ein solches Manöver wäre zuvor zu riskant gewesen.

Beim Kontakt mit dem Boden verdrehen sich schließlich die Hauptantennen, die Verbindung bricht ab, erklärt Baumjohanns Stellvertreter, Werner Magnes. Das sei auch wichtig, damit die Signale keine andere Satellitenkommunikation stören, erklärt er. Mit rund 70 Zentimetern pro Sekunde – das entspricht gemütlicher Gehgeschwindigkeit – bewegte sich Rosetta zuletzt auf den Kometen zu, auf dem auch bereits die Landeeinheit Philae ruht. Der ehemalige ÖAW-Präsident Helmut Denk spricht von einer kontrollierten Näherung.

Mit diesen Szenen endete eine der aufsehenerregendsten Missionen der europäischen Weltraumforschung. Die Raumsonde Rosetta war am 2. März 2004 samt Philae ins All gestartet. 2011 wurde sie in eine Art Winterschlaf versetzt und 2014 wieder geweckt. Im August erreichte sie schließlich – nach zehn Jahren – den Kometen und umkreiste ihn seither. Noch nie hatte eine Raumsonde zuvor einen Kometen so lange begleitet.

Mit der Landesonde Philae setzte am 12. November 2014 dann erstmals in der Geschichte der Menschheit ein Messinstrument auf einem Kometen auf. Die Landung verlief allerdings holprig, nach mehreren Sprüngen setzte Philae in einer schattigen Felsspalte auf und lieferte nur 60 Stunden lang Daten.

Insgesamt befanden sich 21 Messinstrumente an Bord von Rosetta und Philae, das IWF war an fünf davon beteiligt. Kometen sind für die Forschung so interessant, weil sie sich seit der Geburt des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren kaum verändert haben. Daraus erhoffen sich die Forscher auch Rückschlüsse auf die Entstehung des Lebens auf der Erde.

Erste Ergebnisse gibt es bereits. Baumjohann verweist auf sechs Publikationen in „Science“ und „Nature“, also den in der Wissenschaftswelt am höchsten angesehenen Fachmagazinen, an denen allein das IWF bereits beteiligt war. Für die Wissenschaftler geht die Arbeit aber nun ohnehin weiter: Die Auswertung der Daten wird Forscher in ganz Europa noch über viele Jahre beschäftigen. „Ich glaube, wir werden noch viel Neues erfahren“, sagt jedenfalls IWF-Direktor Baumjohann. (gral)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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