Tierisches Abwehrverhalten: Rippen als Speer

Rippenmolch
Rippenmolch(c) Egon Heiss
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Wiener Forscher untersuchten das Abwehrverhalten des spanischen Rippenmolches: Er nutzt seine Rippen als Speer und "Injektionsnadel". Seine eigene Haut heilt an der durchbohrten Stelle wieder schnell.

Todesmutig werden Bienen oft genannt, schließlich riskieren sie ihr eigenes Leben, sobald sie den Angreifer stechen. Ganz anders macht es ein gefinkelter Lurch: Der spanische Rippenmolch hat eine Taktik entwickelt, um Gift unter die Haut der Fressfeinde zu bringen, bei der er selbst keinen Schaden davonträgt – jedenfalls keinen bleibenden Schaden. Wie der Name schon sagt, spielen dabei die Rippen eine Rolle. „Im Gegensatz zu uns Menschen sind die Rippen der Amphibien nicht gebogen, sie haben kein Brustbein. Die Rippen stehen seitlich gerade weg“, erklärt Egon Heiss von der Uni Wien (Department für Theoretische Biologie).

Er und seine Kollegen waren nun die Ersten, die sich über Verhaltensstudien, Computertomografie und Gewebsanalysen angesehen haben, was der Rippenmolch (Pleurodeles waltl) genau mit seinen Rippen macht: „Wenn er gereizt wird, kann er die Rippen bis zu einem Winkel von über 90 Grad nach vorne fetzen.“ Bei den „reizenden“ Verhaltensstudien wurden die Tiere mit einem Wattestäbchen angestupst, um einen Angriff vorzutäuschen. Flucht war im Versuchsareal nicht möglich, also nahmen die Rippenmolche ihre defensive Haltung ein: entweder flach an den Boden drücken oder mit dem Körper eine Brücke bilden.


Brennend wie Chili. Das interessante Detail: Die acht Rippen (je Seite) des Molches, der als größter Vertreter der europäischen Salamandergruppe bis über 30 Zentimeter groß wird, stechen wie Speere nach vorn – und zerfetzen dabei seine Haut. „Verletze dich selbst, um deinen Feind zu verletzen“, nannten die Wiener Forscher ihre Publikation im „Journal of Zoology“.

Früher nahmen Forscher an, dass spezielle Poren das Austreten der Rippen durch die Haut erleichtern würden. Dem ist nicht so: Bei jeder Abwehrreaktion wird die Haut richtig durchbohrt, um das Gift der Hautdrüsen unter die Haut des Feindes zu bringen. Heiss wurde bei den Versuchen einmal leicht gestochen. „Durch den Handschuh durch und nur mit geringer Menge Gift war es so schmerzhaft wie ein Bienenstich.“ Auch in den Mund ist ihm das Gift unabsichtlich gelangt: „Unangenehm und brennend wie Chili“, urteilt er.

In den 1970ern erforschten US-Wissenschaftler das Gift des Rippenmolchs: In die Bauchhöhle injiziert starben Versuchsmäuse in einer halben Stunde durch das Gift einiger weniger Drüsen. Der Molch selbst nimmt durch das Gift keinen Schaden. Schnappt ihn jedoch ein Fressfeind (Fuchs, Iltis, Schlange oder Vogel), „injiziert“ er das schmerzhafte bis tödliche Gift direkt in den Mund oder unter die Haut.

Seine eigene Haut heilt an der durchbohrten Stelle wieder schnell: Amphibien sind im Allgemeinen für die hohe Regenerationsfähigkeit ihrer Gewebe bekannt. Auch diverse Abwehrmechanismen gegen Fressfeinde sind bei Amphibien üblich: Klar, sie sind recht klein, oft in hoher Zahl vorhanden und wegen ihrer weichen Haut ein beliebtes Häppchen in der Nahrungskette. Tarnfarben, Fluchtsprünge und Giftdrüsen sind in dieser Tiergruppe schon lange bekannt. Die eigenen Rippen als Speerspitzen und „Injektionsnadel“ zu benützen ist jedoch etwas Einzigartiges.

Gefährdete Amphibien. „Doch leider schützt nicht mal das vor der Dezimierung ihrer Art“, so Heiss. Ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet ist Spanien und Portugal, die Populationen gehen zurück. „Weil die Lebensräume der Amphibien ungenügend geschützt werden.“ Wo Feuchtwiesen trockengelegt werden, wissen die wasserliebenden Tiere nicht mehr, wohin – und stehen wie fast alle Amphibien auf der roten Liste der gefährdeten Arten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2009)

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