Heiße Treffen im Kalten Krieg

Berliner Mauer - Gedenkst�tte Bernauer Stra�e
Berliner Mauer - Gedenkst�tte Bernauer Stra�e(c) APA/dpa/Rainer Jensen
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Zeitgeschichte. Das offizielle Österreich stand der DDR argwöhnisch gegenüber. Doch Beziehungen zwischen den Staaten gab es im gesamten Kalten Krieg, wie ein neues Buch belegt.

Im Jahr 1960 reiste der damalige Außenhandelsminister und Politbüromitglied der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), Heinrich Rau, nach Österreich. Rau, Zeit seines Lebens Kämpfer für den Kommunismus, nahm an der Befreiungsfeier in Mauthausen teil. Nicht ungewöhnlich, saß er doch selbst ebendort bis 1945 als Gefangener ein. Doch die Gedenkfeier war zugleich Anlass für ein Treffen mit dem österreichischen Vizekanzler und SPÖ-Vorsitzenden, Bruno Pittermann: freilich hinter verschlossenen Türen, geheim, inoffiziell.

Derartige inoffizielle Kontakte zwischen Österreich und der DDR fanden von da an vor allem in Moskau und Ost-Berlin statt. Dort schlichen sich die österreichischen Delegierten von West-Berlin klammheimlich über die Grenze in den SED-Staat. Treffen in Österreich blieben auch nicht aus: 1966 konnte sogar der damalige Chefarchitekt der DDR-Außenpolitik, Hermann Axen, nach Österreich reisen und im Bundeskanzleramt bis zu Staatssekretär Karl Gruber vordringen. 1967 reiste das für Wirtschaft zuständige Politbüromitglied Günter Mittag nach Österreich, wo er unter anderem mit dem ÖVP-Politiker Josef Taus, verantwortlich für die verstaatlichte Industrie, zusammentraf. Ab diesem Besuch wurde sukzessive das künftige Geschäftsmodell der Wirtschaftsbeziehungen entwickelt.

„Wie durch ein Wunder konnte das vor der Bundesrepublik Deutschland (BRD) geheim gehalten werden“, sagt Maximilian Graf, Historiker am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Vor dem Rest der Welt wären diese „heißen“ Treffen schwer zu argumentieren gewesen, zumal sich Österreich als Vermittler mit großem humanitären Engagement, als neutrales Land zwischen den Blöcken, präsentierte. Beziehungen zu einem Staat, der ab August 1961 seine Grenzen dicht machte und mit dem Bau der Berliner Mauer ein Symbol des Kalten Krieges errichtete, wären nur schwer zu erklären gewesen. Graf arbeitete Fakten wie diese in seinem nun im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erschienenem Buch „Österreich und die DDR 1949–1990“ systematisch auf.

Historische Tabula rasa

An Sekundärliteratur war diesbezüglich kaum Material vorhanden. Das Thema schien die Forschung bislang wenig zu interessieren. Der Historiker Günter Bischof spricht hier vom „Elend der österreichischen Geschichtsschreibung zum Kalten Krieg“. Graf bringt es auf den Punkt: „Zu Beginn der Forschungen fand ich nahezu eine historiografische Tabula rasa vor, sodass der Weg rasch ins Archiv führen musste – ein sehr klassischer Zugang.“

Das Buch stützt sich maßgeblich auf Akten aus österreichischer, ost- wie westdeutscher Provenienz sowie weiteren ausländischen Archiven: vom SED-Politbüro über den österreichischen Ministerrat bis zum Bonner Kanzleramt. Und auf Akten der Außenministerien aller drei Staaten, im Falle der DDR zudem SED-Akten. In wirtschaftspolitischer Hinsicht etwa jene aus dem Büro Günter Mittag, der von 1966 bis zum Herbst 1989 Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED war. Auf österreichischer Seite waren es Akten des Kreisky-Archivs und insbesondere die dort archivierten Tagebücher Josef Staribachers, langjähriges Regierungsmitglied unter Bruno Kreisky.

Kreisky und Honecker

Kreisky war es, der die „heißen“ Treffen offiziell machte. 1978 reiste er nicht zuletzt aus wirtschaftspolitischen Motiven als erster westlicher Regierungschef zu einem Staatsbesuch in die DDR. Dieser sorgte durchaus für Verstimmung mit der BRD. 1980 ermöglichte Österreich Erich Honecker seine westliche Premiere. Österreich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Kredite in zweistelliger Milliarden-Schilling-Höhe an die DDR vergeben. Dafür kaufte die DDR Waren in Österreich ein und ließ die Voest um zwölf Milliarden Schilling ein neues Stahlwerk in Eisenhüttenstadt an der Oder errichten.

Später kaufte die DDR mit österreichischen Krediten Öl aus dem Nahen Osten. Dann verkaufte sie das Öl sofort weiter und hatte dadurch neben dem Kredit auch den Deviseneingang für das Öl. Das sicherte der DDR damals ihre Zahlungsfähigkeit. Dass Österreich mit Kreiskys Initiative ein „diplomatischer Eisbrecher“ war, ist nicht ganz neu, dass Österreich aber de facto ein Jahr vor den Milliardenkrediten des bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß 1983/84 Milliardenkredite gewährte, war bislang unbekannt. „Damit verhinderte Österreich den Bankrott der DDR am Beginn der 1980er-Jahre“, sagt Graf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

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