Ein Labor im Mikromaßstab

Junge Frau mit Mikroskop
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Biochips haben das Potenzial, Analyse und Diagnostik zu revolutionieren. Salzburger Stammzellenforscher arbeiten in den Spoc Laboratories an neuen Anwendungen.

Das durchsichtige Plastikteil ist kleiner als eine Zündholzschachtel. Doch was so unspektakulär und winzig aussieht, gilt als eine der spannendsten Zukunftstechnologien der biologischen Analyse. Biochips könnten in Hinkunft nicht nur große und aufwendige Laboruntersuchungen ersetzen. Auf der Minifläche lassen sich auch die Strukturen von menschlichen Organen nachbauen. „Damit könnte man beispielsweise ohne Tierversuche die Wirkung neuer Medikamente oder Therapien erproben“, beschreibt Günter Lepperdinger, Stammzellenforscher im Fachbereich Zellbiologie und Physiologie der Universität Salzburg, eine der vielen Zukunftshoffnungen.

Salzburg als Zentrum

Salzburg könnte ein Zentrum für die Entwicklung dieser neuen Plattform für biologische Analysen werden. Die Uni Salzburg und Stratec Consumables GmbH, ein auf die Entwicklung von Prototypen von Biochips für die medizinische Diagnostik spezialisiertes Unternehmen, haben die Spoc Laboratories in Anif bei Salzburg gegründet. Während Stratec Consumables der Spezialist für die Plastikelemente ist, sind die Wissenschaftler die Experten für mögliche Anwendungen.

Potenzial für Biochips sieht Lepperdinger, der 2015 von der Uni Innsbruck nach Salzburg wechselte, genug. Der Chip ist ein Labor im Mikromaßstab: Er hat einen Ein- und einen Ausgang für winzige Probenmengen. Dazwischen lässt sich der Durchfluss der Flüssigkeit je nach der Art der benötigten Analyse unterschiedlich gestalten. Der Vorteil: Die Analyse per Chip ist günstig, genau und unendlich reproduzierbar. Schon jetzt reicht ein kleiner Tropfen Blut, um mittels Biochip eine rasche und verlässliche Laboruntersuchung zu machen. Diese winzigen Plastikteile könnten mittelfristig große und teure Untersuchungsgeräte in Labors ersetzen. „Wir gehen davon aus, dass wir mithilfe der Biochips und einem Tropfen Blut die Möglichkeit haben werden, Krankheiten wie Krebs oder Demenz zu diagnostizieren“, sagte Lepperdinger.

Ganze Organe nachbilden

Doch die Entwicklung geht schon viel weiter: „Wir wollen nicht nur eine Analyse im Kleinstmaßstab machen, sondern ganze Organe nachbilden“, erläutert der Biologe. Wenn nicht einzelne Zellen, sondern ein ganzer Zellverband zusammenwirken, ermöglicht das eine noch genauere und aussagekräftigere Diagnose. Diese „humanisierten Organversuche“, die bisher an der fehlenden Technik gescheitert sind, eröffnen ganz neue Möglichkeiten. Sie sind vor allem für die alternde Gesellschaft und die damit einhergehenden Erkrankungen interessant.

Tierversuche werden nämlich derzeit im Labor vor allem mit kurzlebigen Arten wie Mäusen gemacht. „Viele Krankheiten tauchen aber bei langlebigen Arten erst auf, wenn die Labortiere gar nicht mehr leben“, erklärt Lepperdinger. Bei der Rekonstruktion im Biochip könne man auch mit gealterten menschlichen Stammzellen arbeiten und so viel präzisere Aussagen treffen.

Aber auch ganze Organsysteme lassen sich auf dem Chip darstellen. Ein Beispiel: Im Biochip wird zunächst ein Medikament von Leberzellen aufgenommen. Was die Leberzellen abgeben, wird auf Herzzellen geleitet. „Per einfacher Frequenzmessung lässt sich dann sagen, wie sich das verstoffwechselte Medikament auf das echte Herz auswirkt“, berichtet der Wissenschaftler. Mit diesen künstlichen Organsystemen schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Es ist kein Tierversuch nötig, und es wird mit menschlichen Zellen gearbeitet.

Die Hightech-Biochips sind aber nicht nur für die Entwicklung von Medikamenten, sondern auch für die Beobachtung von Therapieverläufen interessant. Denn auf den Chips lassen sich Gewebe aus anonymen Spenderzellen, aber auch von bestimmten Personen nachbauen, und beobachten, wie die Zellen auf eine Therapie reagieren. Damit könnte sich das, was man jetzt landläufig als „Einstellen eines Patienten“ auf eine bestimmte Medikamentendosis versteht, deutlich verbessern. Der Chip würde zeigen, wie der individuelle Patient auf ein Medikament anspricht.

„Damit kann ich den Therapieverlauf auf die individuelle Situation abstimmen und kontrollieren“, nennt Lepperdinger eine mögliche Anwendung.

LEXIKON

Biochips erlauben Testverfahren im Miniformat. In winzigen Probenträgern aus speziell beschichtetem Kunststoff, ausgestattet mit einem Netz aus Kanälen, können Blut oder andere Flüssigkeiten schnell analysiert werden. Die Spoc Laboratories bei Salzburg sind eine Einrichtung der Uni Salzburg und der Stratec Consumabels GmbH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

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