Im Weltall nach Fußballmolekülen suchen

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Innsbrucker Wissenschaftler ummanteln Fußballmoleküle mit Heliumatomen zu sogenannten Atkins-Schneebällen. Dadurch helfen sie Astrophysikern bei der Suche nach organischen Verbindungen im Weltraum.

Der Weltraum, unendliche Weiten. So beginnt nicht nur jede „Star Trek“-Folge, sondern auch manche Forschungsfrage. Denn im Weltraum wird immer noch Neues entdeckt, und Wissenschaftler rätseln: Woher kommen die gefundenen Moleküle? Gibt es Hinweis auf Biomoleküle und damit auf Leben im All?

Eine spannende Entdeckung waren sogenannte Fullerene im Weltall: 2010 gelang spektroskopisch der Nachweis, dass diese kugelrunden Kohlenstoffverbindungen außerhalb der Erde vorkommen. Physiker nennen sie Fußballmoleküle, da die Kohlenstoffatome wie die Lederstücke eines Fußballs in Sechs- und Fünfecken angeordnet sind. „Wenn Fullerene in Wolken vorkommen, in die UV-Licht eindringt, werden sie leicht ionisiert – und sind dann geladen“, erklärt Paul Scheier vom Institut für Ionenphysik der Uni Innsbruck. Wie die ionisierten Fullerene mit Licht wechselwirken und welche Absorptionsspektren ihre Anwesenheit im Weltall verraten, war bis vor Kurzem nicht bekannt. Scheiers Team gelang es nun mit einem Trick, exakte Absorptionsspektren geladener Fullerene zu erstellen.

Damit können Astrophysiker nun beweisen, wo im Weltraum Fullerene vorhanden sind. Der Trick funktioniert mit Heliumatomen: Helium ist unter Normaldruck und -temperatur gasförmig, wie jedes Kind, das je einen Luftballon steigen ließ, weiß. Es wird auch bei kalten Temperaturen bis zum absoluten Nullpunkt nicht fest. Doch wenn Helium sich bei niedrigem Druck an ein Fulleren heftet, das ionisiert ist, wird es fest.

Helium sucht einen fixen Platz

Es sucht sich einen fixen Platz auf dem Fußballmolekül, als ob ein Reisnagel im Fußball stecken würde. Mit dieser Methode können Physiker im Labor feste Hüllen um Fullerene schließen: Das Konstrukt aus KohlenstofkKern und Heliumhülle heißt Atkins-Schneeball, da das Helium wie eine Eiskruste das Fulleren umgibt. „Wir haben im Labor eine Vielzahl dieser Schneebälle erzeugt: mit nur einem, zwei oder mehr Heliumatomen“, sagt Scheier. Bis zu 100 Heliumatome wurden in die Hülle gesteckt und die Absorptionsspektren all dieser Schneebälle vermessen.

„Bis zu 32 Heliumatomen ist die Eiskruste fest: Ab dem 33. Heliumatom wird ein Teil der Hülle flüssig, diese Atome bleiben nicht mehr an ihrem fixen Platz“, so Scheier. Im Fußballbild gesprochen wären die Heliumatome nicht mehr nur Reisnägel, sondern es gäbe zusätzlich eine feuchte, schmierige Schicht an der Oberfläche. „Ab dem 60. Heliumatom wird es besonders schwach gebunden, also superflüssig.“

Aus all den Messungen eruierten die Physiker die Wellenlänge bzw. Frequenz, die ein nacktes Fulleren – ganz ohne Heliumhülle – im Weltall aussendet: damit Astrophysiker leichter den Nachweis der Kohlenstoffverbindung erbringen können. „In Zukunft wollen wir die Methode der Schneebälle auch auf andere Atome und kleine Biomoleküle anwenden“, erklärt Scheier.

So könnte man etwa Absorptionsspektren liefern, die Astrophysikern helfen, Vorläufer von Biomolekülen im Weltraum zu finden.

„Wir werden damit zwar nicht direkt Leben im All finden“, so Scheier. Aber Wissenschaftler könnten so nachweisen, an welchen Stellen im All Aminosäuren oder organische Stoffe vorkommen, um Hinweise auf präbiotische Planeten zu festigen.

LEXIKON

Fullerene sind als Fußballmoleküle bekannt: Sie bestehen aus 60 Atomen von Kohlenstoff, die so angeordnet sind wie auf einem Fußball: 20 Sechsecke und 12 Fünfecke. Ihre Anwesenheit im Weltall wurde 2010 mit der Hilfe von Weltraumteleskopen nachgewiesen.

Atkins-Schneebälle nennen Physiker die Struktur, die sich ergibt, wenn um die runden Fullerene eine Schicht Helium wie Schnee gelegt wird: Das Helium wird dabei fest oder flüssig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

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