Wissenschaft: Jungbrunnen im Sperma

Sperma
Sperma(c) EPA (-)
  • Drucken

Forscher in Graz entdecken Substanz, die Altern bremst. Spermidin könnte therapeutisch genutzt werden, gegen die Alterskrankheiten des Gehirns. Getestet wird ob man damit auch Zellen zu Stammzellen verjüngen kann.

„Wir haben eher zufällig bemerkt, dass Hefezellen dreimal so lange leben, wenn wir ihnen Spermidin geben“, berichtet Frank Madeo (Uni Graz): „Wir hatten das Gefühl, sie leben ewig.“ Und sie hatten den Verdacht, dass es auch bei höherem Leben so ist, deshalb haben Madeo und sein Mitarbeiter Tobias Eisenbach es, gefördert vom FWF, an Fliegen, Würmern, Mäusen und Menschen-Zellen getestet. Überall wirkte die Substanz – ein Polyamin –, die ihren Namen daher hat, dass sie in Sperma bzw. Samenflüssigkeit ist.

„Es ist ja ein Mysterium, dass ich ein Kind zeugen kann, das von meinem Alter nichts auf dem Buckel hat, bei dem die Uhr auf null gestellt wird. In meinem Samen steckt Unsterblichkeit“, erklärt Madeo: „Es liegt nahe, Spermidin für die Ursache zu halten.“ Aber wie wirkt es? Über Autophagie, eine Entschlackungskur, bei der Zellen alles von sich selbst auffressen, was überflüssig – und potenziell gefährlich – ist. Potenziell gefährlich sind u.a. falsch gefaltete Proteine, die bei Alterskrankheiten des Gehirns mitspielen. Sie entstehen etwa bei Apoptose, das ist der gezielte Zelltod, in ihn werden z.B. Tumorzellen geschickt. Apoptose dient also dem Leben, aber sie hat eine Kehrseite, hinterlässt Müll, darin liegt die Gefahr.

Autophagie statt Apoptose!

Könnte man die Zellen dazu bringen, gezielt in Autophagie zu gehen, wäre viel gewonnen: Lebenszeit. Das kennt man schon von harter Diät bzw. Hungern. Sie verlängern das Leben bei vielen Tieren, weil sie Gene für Autophagie aktivieren. Deshalb wird weltweit nach Substanzen gesucht, die ohne Hungern den gleichen Effekt bringen. Vor einigen Wochen etwa haben Forscher gezeigt, dass Rapamycin – eine Substanz aus Bakterien – so wirkt, aber es hat böse Nebenwirkungen, unterdrückt das Immunsystem, man würde rasch an Infektionen sterben.

„Spermidin ist eine natürlich Substanz, die wahrscheinlich keine oder kaum Nebenwirkungen hat, sonst wären wir alle längst tot. Beim Sexualverkehr werden beträchtliche Mengen übertragen“, erklärt Madeo: „Es ist also ,approved by nature‘. Das ist ein Riesenvorteil.“ Der könnte therapeutisch genutzt werden, gegen die Alterskrankheiten des Gehirns. Sonst auch noch? Wenn Spermidin so ein Jungbrunnen ist, könnte man damit auch – Zellen zu Stammzellen verjüngen? „Gute Idee, wir testen sie gerade.“ (Nature Cell Biology, 4.10.) jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.