Biologie: Die raren Gene der Seepferdchen

(c) Unknown
  • Drucken

Sie schwimmen aufrecht, haben keine Zähne, und die Männchen werden schwanger: Nun weiß man etwas mehr über die Genetik der wohl seltsamsten Fische.

Dass die Genetiker wieder einmal ein vollständiges Genom eines Lebewesens vorlegen, ist keine Sensation mehr. Das gesteigerte Interesse in diesem Fall – und wohl auch der Grund dafür, dass die Arbeit in Nature (14. 12.) erscheint – liegt an der skurrilen Natur des analysierten Wesens: Das Seepferdchen (Hippocampus) aus der Familie der Seenadeln sieht schon auf den ersten Blick nicht aus wie ein Knochenfisch, der es ist, eher wie das mythologische Ungeheuer, nach dem es benannt ist. Es hat keine Zähne, sondern eine lange Schnauze, durch die es die Nahrung mit enormem Druck einsaugt; es hat keine Bauchflosse; sein Körper ist mit Knochenplatten geschützt.
Originell ist auch die Fortpflanzung: Nicht das Weibchen, sondern das Männchen trägt die Kinder aus – in einer Bruttasche, in die das Weibchen nach langem Balztanz die Eier gespritzt hat. An der Bildung dieses speziellen Organs dürften u. a. fünf Gene (darunter eines namens Patristacin) beteiligt sein, die aus Verdopplungen eines Gens entstanden sind, das bei anderen Fischen mit dem Brüten des Weibchens zu tun hat. Die Forscher um Axel Meyer (Universität Konstanz) formulieren das freilich nur im Konjunktiv: Es ist immer wieder ernüchternd, dass es vom Sequenzieren der Gene bis zum Verständnis ihrer Funktion ein so weiter Weg ist.

Das Gen für die Bauchflosse fehlt

Der konkreteste Zusammenhang zwischen einer Eigenschaft und einem Gen betrifft ein Gen, das beim Seepferdchen fehlt: Tbx4 ist bei Säugetieren für die Entwicklung der Beine verantwortlich, bei Fischen für die Bildung der Bauchflosse. Das wiesen die Forscher nach, indem sie in Zebrafisch-Embryos mit der neuen genetischen Wundermethode Crispr/Cas das Tbx4 deaktivierten, tatsächlich bildeten die Fische dann wie die Seepferdchen keine Bauchflossen.
Einsichtig ist, dass den Seepferdchen etliche Gene fehlen, die für die Bildung von Zahnschmelz zuständig sind. Auffällig ist auch, dass sie deutlich weniger Gene für Geruchsrezeptoren haben als andere Knochenfische (26 statt 60 bis 169). Das liegt daran, dass sie sich – wie wir Menschen – stärker auf den Seh- als auf den Geruchssinn verlassen: Sie sehen sehr gut, und sie können die beiden Augen unabhängig voneinander bewegen, was ihnen bei der Jagd sehr hilft.
Aus DNA-Vergleichen mit anderen Fischen schließen die Forscher, dass die Seepferdchen sich von der Großgruppe, zu der sie gehören, den Barschverwandten, vor ca. 100 Millionen Jahren abgespaltet haben. Seither hat ihr Genom deutlich raschere Veränderungen durchgemacht als das anderer Knochenfische: Das mag ihre Eigenheiten erklären; aber was dafür verantwortlich ist, können die Biologen auch nicht sagen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.