Globalisierungsgewinner in der Antike

Grabungen auf dem Monte Iato auf Sizilien zeugen von früher Globalisierung.
Grabungen auf dem Monte Iato auf Sizilien zeugen von früher Globalisierung.(c) Erich Kistler
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Grabungen von Innsbrucker Wissenschaftlern auf einem Berg in Sizilien lassen Muster erkennen, die uns vertraut sind: Vernetzung erzeugte schon um 500 vor Christus den Wunsch nach einer Rückbesinnung auf Tradition.

Was passiert mit einem kleinen, abgeschiedenen Bergdorf, wenn es plötzlich Teil der großen, vernetzten Welt wird? Wie ändert sich das tägliche Leben? Wer profitiert, wer verliert? All diesen Fragen gehen Wissenschaftler der Universität Innsbruck seit einigen Jahren auf den Grund. Allerdings nicht in einem Dorf in den Alpen des ausgehenden 20. Jahrhunderts, sondern auf dem Monte Iato im Südwesten Siziliens. Und auch nicht in der unmittelbaren Vergangenheit, sondern 550 vor Christus. Der Archäologe Erich Kistler und sein Team erforschen seit dem Jahr 2010 gewissermaßen einen Fall von „antiker Globalisierung“.

Über die Bewohner des Monte Iato aus vorgriechischer Zeit weiß man nicht viel. Sie lebten in relativ einfachen Hütten, waren wirtschaftlich mehr oder weniger autark, Alt regierte, Jung gehorchte. Doch plötzlich, um 550 v. Chr., beginnt ein Kontakt und Austausch mit den Griechen, die seit etwa 700 v. Chr. die Küsten Siziliens besiedelt haben. Kistler: „Aber das hat nicht nach dem Modell der Hellenisierung, der Kolonialisierung, funktioniert. Indem also die Griechen den Barbaren die Zivilisation bringen.“

Vielschichtiger Austausch

Der Austausch des kleinen Dorfes mit der großen mediterranen Welt passiert subtiler, vielschichtiger. Der Kontakt nach außen bringt einen Aufbruch des alten Gefüges, ein Teil der Bevölkerung wird mächtiger als der Rest, gehört sozusagen zu den Globalisierungsgewinnern. Das äußert sich im Erscheinungsbild ihrer Häuser, deren Reste die Archäologen freigelegt haben. Kistler: „Diese Schicht übersetzt den Machtanspruch in monumentaler Architektur. Sie ist ein Element des Versuches von Herrschaftssicherung.“

Und noch etwas geschieht: Die Bergbewohner besinnen sich plötzlich wieder auf ihre Vergangenheit. Dies wird deutlich sichtbar auf den Gefäßen, die die Forscher bei den Grabungen fanden: In einem speziellen Raum fand sich ausschließlich alte, indigene Keramik, während sonst auch griechische Importware in Verwendung war. Eine Reaktion, die Kistler bekannt vorkommt: „Das findet man ja auch heute, dass als Antwort auf die Globalisierung wieder eine Rückbesinnung auf die eigene Tradition stattfindet.“ Diese ging am Monte Iato sogar so weit, dass man sich eine „Uralt-Vergangenheit konstruierte“, die es so nie gegeben haben dürfte.

Doch schon nach 50 Jahren wird das Netz wieder gekappt, das Machtzentrum verlagert sich, die Siedlung am Monte Iato fällt für rund 150 Jahre wieder in ihren früheren Zustand zurück.

Im kommenden Frühjahr wird sich ein internationaler Archäologen-Kongress in Innsbruck mit genau diesem Thema, der „Erzeugung von Lokalität“ im westlichen mediterranen Raum in der Antike, beschäftigen. (us)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2016)

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