Smartphone kann vor Stress warnen

Eine Pause im Büroalltag ist oft notwendig, um fit zu bleiben.
Eine Pause im Büroalltag ist oft notwendig, um fit zu bleiben.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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An der FH Salzburg entwickeln Forscher digitale Werkzeuge, um bei Änderungen des Lebensstils zu helfen: Apps erinnern zum Beispiel an eine Jause oder eine Pause.

Es gibt Tage, da würde sich Geja Oostingh, Leiterin des Studiengangs Biomedizinische Analytik an der FH Salzburg, jemanden wünschen, der sie rechtzeitig dran erinnert, eine kurze Pause an der frischen Luft einzulegen. Wenn sie viel Arbeit hat, neigt sie dazu, nichts zu essen und vor dem Computer zu bleiben. Die Migräne am Abend ist dann so gut wie programmiert. Wie der Wissenschaftlerin geht es vielen Menschen. Im Alltag strömt so viel auf einen ein, dass man auf einfache Grundregeln vergisst, die das Wohlbefinden stärken. Da ist es gut, wenn jemand einen daran erinnert. Das kann auch ein kleiner digitaler Assistent sein.

Oostingh hat gemeinsam mit Simon Ginzinger vom Studiengang Multimedia Technology eine App entwickelt, die herannahenden Stress erkennt und rechtzeitig zur Entspannung oder Essenspause ruft. „Wir können aus Daten, die das Handy speichert, ein Stresslevel vorhersagen und damit rechtzeitig warnen und Tipps geben“, beschreibt Projektleiter Simon Ginzinger das Prinzip der Less Stress App. Entwickelt wurde die App mit dem Psychologen Jens Blechert, Leiter des Eating Behavior Laboratory. Sie ist besonders zur Unterstützung von Menschen mit Essstörungen gedacht. Aus Daten wie der Bewegung, der Zahl der empfangenen Nachrichten, der Menge und Länge der Telefonate, der Umgebungslautstärke oder der Helligkeit wird ein individuelles Stresslevel errechnet.

App soll nicht bevormunden

Im Fall des Falles liefert die App dem Nutzer die Information, dass es eigentlich Zeit für eine Pause oder etwas Bewegung wäre. In der Früh erhält der Nutzer den Tipp, eine Jause einzupacken. Die App soll nicht bevormunden, sondern dabei helfen, einen gesunden Lebensstil einzuüben.

Die Less Stress App ist Teil des Forschungsprojekts Smart Health Check an der FH Salzburg. „Smartphones messen heute viele Dinge. Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie man die Daten nützen kann, um Patienten im täglichen Umgang mit einer Krankheit zu unterstützen“, sagt Ginzinger. Neben der entsprechenden Software stehen dabei vor allem die Verlässlichkeit und Genauigkeit von Messungen – beispielsweise des Blutzuckerspiegels bei Diabetikern – im Zentrum der Forschungen.

Ziel ist es, einen „Baukasten“ zu entwickeln, aus dem rasch eine individuell für den Patienten zugeschnittene App zusammengestellt werden kann. Das können beispielsweise ein maßgeschneidertes Bewegungsprogramm, Ernährungstipps, die Erinnerung an die Medikamenteneinnahme oder an Entspannungsübungen sein. Ein Diabetiker erhält via App rechtzeitig eine Warnung, dass er Gefahr läuft, in Kürze Über- oder Unterzucker zu bekommen. Der Patient kann rechtzeitig auf die bevorstehende Hyper- oder Hypoglykämie reagieren und gegensteuern. Erprobt wird die App gerade in einer Pilotstudie mit dem Mediziner Raimund Weitgasser, Leiter des Kompetenzzentrums Diabetes der Privatklinik Wehrle-Diakonissen in Salzburg.

Bei Diabetikern ist die Genauigkeit der Blutzuckermessung lebenswichtig. „Wir haben verschiedene Geräte getestet, mit denen Diabetiker daheim ihren Blutzuckerspiegel messen“, berichtet Oostingh. Dabei hat sich gezeigt, dass verschiedene Faktoren wie die Umgebungstemperatur großen Einfluss auf die Verlässlichkeit der Ergebnisse haben. „Bei niedrigen Temperaturen waren die Werte tendenziell zu hoch, bei hohen Temperaturen zu niedrig“, erläutert Oostingh. „Im Alltag werden die Geräte von Laien bedient, die wenig über den präanalytischen Prozess und dessen Auswirkungen auf die Ergebnisse wissen.“ Ihr geht es um eine höhere Alltags- und Praxistauglichkeit der Messgeräte. Nur so kann die Sicherheit für die Patienten erhöht werden.

Tagesrhythmen erkennen

Damit die Apps auch Sinn haben und nicht nur eine nette Spielerei bleiben, müssen sie den Nutzern die Informationen, Tipps und Warnungen genau dann liefern, wann diese sie benötigen. Dabei arbeiten die Forscher mit Rhythmen, die sich aus den gemessenen Daten ableiten lassen. „Es geht sehr stark um das Erkennen von Tagesrhythmen“, erklärt Ginzinger.

Dabei zählen nicht die Einzelparameter, sondern das sich daraus ergebende Gesamtbild. Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob der Diabetiker um acht oder um neun Uhr sein Frühstück einnimmt. Die App erkennt an den gemessenen Einzelfaktoren, wann die Mahlzeit war, und kann einschätzen, ob Unter- oder Überzucker droht.

Eine App kann den Besuch beim Arzt nicht ersetzen, sind Oostingh und Ginzinger überzeugt. Aber sie könne Patienten dabei unterstützen, mit einer chronischen Erkrankung umzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern.

LEXIKON

Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der es durch Insulinmangel zu einer Störung des Blutzuckerspiegels kommt. In Österreich sind nach Angaben der Diabetes-Gesellschaft rund 650.000 Personen an Diabetes Typ 2 erkrankt, das sind acht Prozent der Bevölkerung. Übergewicht und Bewegungsmangel fördern die Entstehung von Diabetes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2017)

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