Die Chromosomen des Pferdes

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Was man aus der DNA von Equus caballus über Evolution von Genomen lernt.

Hund und Katze, Rhesusaffe und Schimpanse, Hausmaus und Wanderratte, Panda und Schwein, Beutelratte und Schnabeltiere: Von allen diesen Säugetieren kennen wir das Genom bereits (fast vollständig). Nun tritt das Hauspferd in die Reihe der „sequenzierten“ Tiere, vertreten durch ein edles Exemplar seiner Art, Equus caballus: Ein Team um Kerstin Lindblad-Toh (Uppsala) hat die DNA einer Vollblutstute namens Twilight gelesen.

Das Pferd hat zirka 2,7 Milliarden Basenpaare im Genom, das ist etwas weniger als der Mensch (3,2 Milliarden), viel weniger als der Molch (25 Mrd.) und viel mehr als der Kugelfisch (0,36 Mrd.): Aus der Größe lässt sich nichts über den Entwicklungsgrad schließen, wie immer man den definieren mag, sie hängt hauptsächlich von der Menge an – meist repetitiver, also wenig informativer – DNA ab, die nicht zu Genen gehört. Die Anzahl der Gene geben die Forscher mit 20.322 an, wobei diese Genauigkeit sicher trügt, die Anzahl der Gene des Menschen wird seriöserweise meist mit „zwischen 20.000 und 25.000“ angegeben.

Ein Pferd hat 32 Chromosomenpaare, ein Mensch nur 23. Wie variabel die Organisation des Genoms in Chromosomen ist, zeigen Extrembeispiele bei Säugetieren: Der Muntjakhirsch hat 3 Chromosomenpaare, das Nashorn 42. Selbst in der Gattung Equus ist die Zahl nicht konstant: Das Wildpferd (Equus feris),von dem das Hauspferd abstammt, hatnoch 33, der Esel (Equus africanus) nur 31.

Warum Mulis unfruchtbar sind

Dieser Unterschied ist schuld daran, dass ein Maulesel (dessen Vater ein Pferd und dessen Mutter eine Eselin ist) unfruchtbar ist: Er hat eine ungerade Anzahl von Chromosomen, kann daher keine Geschlechtszellen bilden.

Recht häufig brechen Stücke von einem Chromosom ab und werden in ein anderes integriert. In der Evolution der Pferde haben solche „Rearrangements“ offenbar eher selten stattgefunden: 17 der 32 Pferdechromosomen entsprechen jeweils einem Menschenchromosom. Beim Hund sind es nur 11 von 39, und das, obwohl Hund und Pferd miteinander näher verwandt sind als jedes von ihnen mit dem Menschen.

Spannend ist das elfte Chromosom der Pferde: Sein Centromer sieht „unreif“ aus, ist erst in einem frühen Stadium seiner Entwicklung. Centromere sind die Mittelstücke, an denen die beiden Chromosomen eines Paares zusammenhängen, bis sie bei der Zellkernteilung getrennt werden. Centromere enthalten üblicherweise besonders viele repetitive Passagen (was sie schwer zu sequenzieren macht). Doch das Centromer des elften Pferdechromosoms enthält fast gar keine. Daraus schließen die Genetiker, dass sich zuerst ein neues Centromer bildet und sich erst danach die typischen repetitiven Passagen dort sammeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2009)

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