Das neue Gesicht von „Bella Asmara“

Eine typische Straßenszene im ehemaligen indigenen Viertel der Stadt Asmara, Hauptstadt von Eritrea am Roten Meer.
Eine typische Straßenszene im ehemaligen indigenen Viertel der Stadt Asmara, Hauptstadt von Eritrea am Roten Meer.(c) Katharina Paulweber
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Was passierte mit den Bauten aus der Zeit des italienischen Faschismus? Ein Forschungsprojekt zeigt, wie sich die Bewohner der Hauptstadt Eritreas diese angeeignet haben.

Er wirkt wie ein Exot: Der Fiat Cinquecento gehört zum Straßenbild von Asmara trotzdem dazu. Die Marke Fiat ist einer von vielen Hinweisen auf die Zeit als italienische Kolonie. So wie die Tankstelle Fiat Tagliero, die 1938 fertig gestellt worden ist, zu den bekanntesten Gebäuden des historischen Stadtkerns zählt. Dieser wird Bella Asmara genannt und ist von 1935 bis 1941 entstanden. Rund 400 Gebäude bilden eines der weltweit größten architektonischen Ensembles der klassischen Moderne. Alles ist noch im Originalzustand, also im Stil des „Razionalismo“. Das versetzt Betrachter mitunter in das Dolce Vita der 1930er-Jahre.

Ein vierköpfiges Forscherteam aus zwei Architekturinstituten der Uni Innsbruck wollte wissen, wie sich die Bevölkerung die Gebäude aus der Zeit des italienischen Faschismus angeeignet hat. Von 2013 bis 2015 wurde deren (post-)kolonialer Nutzungskontext im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts „Die schlafende Schöne – Biopolitik und Architektur“ erforscht. „Kolonien waren Projektionsflächen: In der Zwischenkriegszeit wurden die neu gegründeten Kolonialstädte zur Zukunftsvision Europas. Modernisierungsschübe, wie sie etwa im konservativen Italien nicht machbar waren, konnten in Asmara realisiert werden“, erklärt der Architekt und Kunsthistoriker Peter Volgger. Asmara avancierte etwa zu einer frühen Autostadt.

Der Geheimdienst passte auf

Die Forschungstätigkeit vor Ort wurde unter dem präsidialen Einparteiensystem jedoch zum Hürdenlauf. So musste das Team mit Touristenvisa einreisen, weil die Regierung ihre Forschungsvisa abgelehnt hatte. Um den Wandel und die heutige Nutzung der Gebäude zu dokumentieren, waren zudem Interviews nötig. „Diese mussten wir den Behörden vorlegen. Die Interviewpartner wurden ausgesucht. Alles war stark gesteuert und vom eritreischen Geheimdienst überwacht“, erinnert sich Volgger.

Mit viel Glück knüpfte das Team vor Ort trotzdem Kontakte und entdeckte so das Stadtarchiv mit seinen 50.000 bis 60.000 Dokumenten, darunter auch historische Baupläne oder Korrespondenzen von Architekten. Es wurde neben dem Kolonialarchiv in Rom zu einer zentralen Quelle. Damit all das erhalten bleibt, wurde eine Vielzahl der Dokumente digitalisiert – wohl auch vor dem Hintergrund, dass Bella Asmara ins Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen werden könnte.

Die Kolonialregierung erprobte in Asmara auch ein modernistisches Programm, etwa rund um Sanitätspolitik, Zonierungspläne oder Wohnbau. „Die in Kolonialstädten entstandenen Konzepte wurden in den 1950ern nach Europa zurückgebracht“, so Volgger. Fragen zum Einfluss des Staates auf das koloniale Erbe spielten im Projekt eine wichtige Rolle und bauten auf dem Begriff der „Biomacht“ von Michel Foucault auf: Dieser bezieht sich nicht auf Einzelne, sondern auf die ganze Bevölkerung.

Wie Politik und Architektur verschränkt sind, war vor Ort schwierig nachzuweisen. Ein Hilfsmittel sind sogenannte Schwarzpläne: Stadtpläne in Schwarz und Weiß für bebaute bzw. nicht bebaute Flächen. Zusammen mit anderen Daten können damit Bauten und ihre Funktion zu Themen wie etwa Politik, Militär, Medizin, Ethnien oder Tourismus hervorgehoben werden. In Summe offenbarte diese Methode 27Schichten der Stadtplanung.

Bars als Zeitkapseln

Weiters haben die Forscher kleinräumige Stadtteile ausgewählt und beschrieben. Berühmt sind etwa die „Asmara-Bars“: Architektonisch gesehen sind es kleine Zeitkapseln. „Aus Perspektive der Nutzung sind es politische Räume, die von verschiedenen Gruppierungen besucht werden“, sagt Volgger. Der faschistischen Architektur wurde so ein neues Image verpasst.

Die Bevölkerung nimmt im Sinne einer „kolonialen Nostalgie“ jene Zeit der Modernität als Leitbild für die Zukunft. „Die Eritreer sagen: „,Was unsere Kultur ausmacht, haben wir von den Italienern: ob den Fußball, das Straßenradrennen Giro d'Eritrea oder die Cinquecento-Taxis‘“, so Volgger.

LEXIKON

Asmara ist die Hauptstadt und größte Stadt Eritreas in Ostafrika. Sie wurde 1889 von Italien besetzt. Anfangs gab es v.a. Lager für afrikanische Soldaten, die in Hütten (Tukul) lebten. Mit dem Italienisch-Äthiopischen Krieg (1935–1936) stieg die Zuwanderung aus Italien, begleitet von einem Bauboom. Der „Rassentrennung“ folgend gab es europäische und afrikanische Viertel. Seit der Unabhängigkeit Eritreas 1991 wird der historische Stadtkern als schützenswert betrachtet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2017)

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