„Die Sprache der Stammzellen verstehen lernen“

Markus Hengstschläger im Labor.
Markus Hengstschläger im Labor.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Team der MedUni Wien um Markus Hengstschläger hat einen Weg geöffnet, der die Nutzung der Zellen zu therapeutischen Zwecken ebnen könnte. Er greift in die Signale ein, mit denen Stammzellen mit anderen Zellen kommunizieren.

Schon 20 Jahre alt ist die jüngste große Hoffnung der Biomedizin, die der Embryonalen Stammzellen (ES). Das sind undifferenzierte Zellen mit Totipotenz, d. h. sie können sich in jeden Zelltyp entwickeln, den des Herzens, den des Gehirns etc. Deshalb kann man theoretisch aus ihnen jedes Gewebe ziehen, gar jedes Organ, und das dann für Transplantationszwecke verwenden. Darauf setzt man seit 1997, damals identifizierte man ES, die man länger schon an Tieren kannte, auch am Menschen.

Aber die Mühen der Ebene ziehen sich. Das lag zunächst daran, dass man zur Produktion von ES Embryos erst herstellen und dann zerstören muss, die ethischen Bedenken waren groß, die technischen Hürden hoch. 2005 kam der vermeintliche Durchbruch, aber er war eine Fälschung durch den Südkoreaner Hwang, das warf das Feld zurück. 2006 endlich fand sich ein Königsweg, der auf Embryos verzichtet und stattdessen erwachsene Körperzellen – etwa die der Haut – zu Zellen verjüngt, die den ES höchst ähnlich sind und iPS heißen: induzierte pluripotente Stammzellen. Schließlich suchte man ES-ähnliche Zellen auch anderswo, Markus Hengstschläger (MedUni Wien) etwa wurde in Fruchtwasser fündig.

Damit war ein Teil des Problems gelöst, ein zweiter ist es bis heute nicht: Wenn man Mäusen ES oder iPS spritzt, dann bilden sie bestimmte Tumore, Teratome (sie sind das Kennzeichen dafür, dass die gespritzten Zellen wirklich ES oder iPS sind). Nun will natürlich niemand Menschen ES oder iPS spritzen, man will ja erst aus ihnen spezialisierte Zellen ziehen. Aber in den Millionen, die man braucht, um etwa ein geschädigtes Herz mit neuen Muskeln zu stärken, bleibt ein winziger Teil undifferenziert, und schon ein paar hundert ES oder iPS können Teratome bilden. Dem versucht man mit verschiedenen Reinigungstechniken zu begegnen, hundertprozentige Sicherheit bietet keine.

Lockstoff lässt Tumore wachsen

Nun schlägt eine Gruppe um Hengstschläger einen neuen Ansatz vor: Wenn Teratome wachsen, dann tun sie das nicht nur aus eigener Kraft, sondern sie rekrutieren, auch über Distanzen, Körperzellen. Die locken sie mit dem Signalstoff Insulin Growth Factor (IGF) an, der aktiviert in den Zielzellen das Molekül mTORC. Dann machen die Zellen sich auf die Wanderschaft und lassen die Teratome wachsen, das Wiener Team hat es in Zellkultur und an Mäusen gezeigt. Und mit Blockaden – entweder von IGF im Teratom oder mTORC in den Zielzellen – unterbunden (Nature Communications 19. 9.). „Wenn wir die Sprache der Stammzellen verstehen lernen, können wir Nebenwirkungen von Therapien mit ihnen minimieren“, schließt Hengstschläger und zieht dann den Rahmen weiter, ins Grundsätzliche: „Warum senden ES in der Natur überhaupt Signale an andere Zellen?“

Man weiß es nicht, aber der Forscher hat „eine Theorie: Wenn Embryos an die Schleimhaut der Gebärmutter andocken und in sie einwandern, müssen sie dieses Gewebe verändern“, etwa dafür sorgen, dass sie mit Blut(gefäßen) versorgt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2017)

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