Molekulare Ölspuren

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Ob im Abflusswasser von Bohrinseln noch minimale Ölspurensind, können Quantenkaskadenlaser höchst genau messen.

Noch vor zehn Jahren, so erinnert sich Bernhard Lendl, waren Quantenkaskadenlaser (QKL) voluminöse Geräte, die ganze Tische und Schränke im Labor des analytischen Chemikers der TU Wien eingenommen haben. Was sie besonders aufwendig machte: Zur Kühlung war flüssiger Stickstoff notwendig. Heute, nach 15Jahren Forschung und Entwicklung, ist das anders: QKL sind jetzt kleiner als einen Millimeter und stabil genug, dass man sie großflächig in der Praxis anwenden kann.

Das Besondere: Sie senden dank quantenmechanischer Effekte eine Strahlung im mittleren Infrarotbereich aus, und zwar in einem Frequenzspektrum, das genau mit den Grundschwingungen von Molekülen übereinstimmt. Bei einem simplen Glucosemolekül (Traubenzucker) sind 66 verschiedene Schwingungen möglich. Dieses Muster ist für jede Molekülart einzigartig. „Es ist wie ein Fingerabdruck des Moleküls“, so Lendl. Man benötigt zur Analyse keinerlei Chemikalien oder komplizierte Laboreinrichtungen: Ein Lichtstrahl reicht, und man kann berührungslos die Zusammensetzung eines Stoffs und die Konzentrationen der Bestandteile analysieren.

Lendl hat bereits 1999 begonnen, mit QKL zu arbeiten – damals als reine (vom FWF finanzierte) Grundlagenforschung. Nach einigen Jahren hat er eine Methode entwickelt, um Moleküle in Flüssigkeiten zu messen, und diese patentiert. Ein Mitglied seiner Arbeitsgruppe war Wolfgang Ritter, auch er hat sich intensiv mit QKL und ihrer Anwendung befasst. Heute ist Ritter Chef des Wiener Hightechunternehmens QuantaRed Technologies, welches er gemeinsam mit Lendl gründete und das kürzlich sein erstes Produkt auf den Markt gebracht hat: ein extrem genaues und robustes Messgerät, mit dem die Konzentration von geringsten Erdölspuren im Wasser festgestellt werden kann.


Mehr Wasser als Öl. „Bei der Erdölförderung kommt aus dem Bohrloch ein Gemisch von Öl und Wasser, oft sind 80 bis 95Prozent Wasser dabei“, so Ritter. Mit diesen riesigen Wassermengen muss etwas geschehen: entweder retour in die Lagerstätte oder es wird ins Meer entsorgt. In beiden Fällen muss das Wasser sehr rein sein, es darf nur mehr kleinste Spuren Öl enthalten: Würde verunreinigtes Wasser in die Lagerstätte gepumpt, würden die feinen Poren im Gestein verstopfen, dadurch steigen der Druck und damit die Kosten der Erdölförderung. Wird das Wasser in das Meer gepumpt, so dürfen wegen des Umweltschutzes nur einige ppm (Milligramm pro Kilogramm) Öl im Wasser sein. In der Nordsee wird sogar ein Nullemissionsziel angestrebt.

„Der Großteil der technischen Einrichtungen auf einer Bohrinsel dient der Aufbereitung des Wassers“, erklärt Ritter. Um diese optimal zu betreiben, muss ihre Funktionsweise ständig kontrolliert werden – und das war bisher ein Problem: Es wurden Proben gezogen, die an Land gebracht und in einem Labor analysiert werden mussten. Die nötigen Messgeräte sind zu empfindlich, um sie bei den harschen Bedingungen auf einer Bohrinsel betreiben zu können. Das dauerte Tage, manchmal sogar Wochen, was für die optimale Steuerung der Anlagen zu lang ist. Das Gerät von QuantaRed namens „Eracheck“ kann das besser: Die Analyse kann direkt auf der Bohrinsel durchgeführt werden, auch von nicht speziell geschultem Personal, das Ergebnis liegt nach wenigen Minuten vor.


Vielfältige Messungen. Dafür war viel Entwicklungsarbeit – und rund eine Million Euro an Eigenmitteln und Förderungen – nötig. „Das Hauptproblem war die Stabilisierung der Messung“, verrät Ritter. Begonnen hat die kommerzielle Umsetzung mit einem Preis des universitären Gründerzentrums Inits, Austria Wirtschaftsservice (AWS) gab über das Pre-Seed- und Seed-Programm Unterstützung und die FFG förderte die Entwicklung im Bridge-Programm.

Eben fertig gestellt, wurde die erste Serie von zehn Geräten, mit Jahresende werden bereits vier Stück im Praxiseinsatz sein. „Das Interesse aus der petrochemischen Industrie ist groß, der Verkauf läuft gut an“, so Richter. Das Potenzial des Verfahrens geht weit über die Analyse von Öl im Wasser hinaus. „Man kann genauso z.B. CO2 in Biogas, Glucose im Blut, Phosphat in Cola oder Mykotoxine im Getreide analysieren“, berichtet Lendl. Auch die Grundlagenforschung geht weiter – u.a. im Research-Studio „VibSense“ der TU Wien– finanziert durch das Wirtschaftsministerium (BMWFJ). Dort werden unter Lendls Leitung QKL weiterentwickelt. So sollen die Laser z.B. einen breiteren Spektralbereich abdecken, um noch mehr unterschiedliche Moleküle gleichzeitig zu analysieren. Das erfordert nicht nur bessere Laser, sondern auch gute mathematische Verfahren.

Die zweite Stoßrichtung des Research Studios hört sich fast utopisch an: Die Laserstrahlen sollen akustisch detektiert werden. Dabei befindet sich die zu messende Substanz zwischen Schwingquarzen – vergleichbar mit einer Stimmgabel. Durch gepulste Infrarotstrahlen werden die Moleküle angeregt, was zu einer periodischen Erwärmung der Probe und zum Entstehen einer Schallwelle führt. Lendl: „Wird der Laser bei der Resonanzfrequenz der Schwingquarze betrieben, gelingt es, die entstandenen Druckwellen besonders empfindlich zu registrieren.“ Ziel ist die Entwicklung eines Verfahrens zur Messung von Stickoxiden im ppb-Bereich (Nanogramm pro Kilogramm). In diesem Bereich kann man NOx – etwa in Autoabgasen – derzeit überhaupt nicht analysieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2009)

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