Der Computer auf der Suche nach Blindgängern

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Noch schlummern in Österreich Tausende Blindgänger in der Erde. Eine Software der TU Wien hilft jetzt dabei, Kampfmittel durch automatisiertes Auswerten von Luftbildern schneller aufzuspüren.

Flogen die Bomben, klickten auch unentwegt die Auslöser der Kameras: Auf über zehn Millionen Luftbilder der Westalliierten allein hat die Wiener Firma Luftbilddatenbank, spezialisiert auf die Auswertung historischer Luftbildaufnahmen, Archivzugriff. Das freut – etwa im Fall eines Bauvorhabens – den Bauherrn: Wo sich Krater und mögliche Blindgänger befinden, darüber können Kampfmittelvorerkundungen Klarheit bringen, noch bevor der erste Bagger auffährt.

Laut Rechnungshof schlummern hierzulande noch rund 10.000 Blindgänger unentdeckt in der Erde. Die gezielte Suche nach ihnen ist folglich „eine stark nachgefragte Dienstleistung“, schildert Luftbilddatenbank-Kartograf Florian Egartner. Allein: Nicht jeder Arbeitsschritt bei der Luftbildauswertung ist heiß geliebt. Beispiel Bildregistrierung, auch Georeferenzierung genannt. Das Auffinden korrespondierender Punkte in 70 Jahre alten Aufnahmen und modernen Satellitenbildern per Mauszeiger kann zu einer reinen Nervenprobe werden.

„Wo heute wie in Schwechat ein Flughafen mit allen Schikanen steht, ist in historischen Aufnahmen vielleicht gerade mal ein Rollfeld mit Wiesen und Äckern zu finden“, so Egartner. Mit Software die Bildregistrierung und auch das Aufspüren von Kratern zu erleichtern – das war die Aufgabenstellung eines über die Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten Projekts mit zwei Instituten der TU Wien.

Vollautomatisch klappt nicht

Schon bisher wird bei der Firma Luftbilddatenbank in Wien mit einer Geoinformationssoftware gearbeitet. „Wir entwickelten nun ein Plug-in (Softwareerweiterung, Anm.), das wesentliche Schritte automatisiert“, schildert Sebastian Zambanini vom Institut für Rechnergestützte Automation der TU Wien. Er erarbeitete im Team die Algorithmen. Das Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme bereitete – visuell schlüssig – die Daten in räumlicher und zeitlicher Relation auf.

Erste Erkenntnis: Eine vollautomatisierte Bildregistrierung alter auf neuer Bilder ist mit derzeitigem Forschungsstand nicht möglich. Was gelang: Nach einmaliger manueller Registrierung eines Referenzbilds weitere alte Bilder untereinander zu registrieren. Die Bildverarbeitungsmethode SIFT „lieferte die nötigen Bildpunkte und Merkmalsbeschreibungen“, sagt Zambanini. Zur automatisierten Detektion von Kratern setzten die Forscher dagegen auf ein künstliches neuronales Netz, das Einschlagsorte nach einigem Trainieren selbst detektiert.

Krateraufnahmen einspeisen

Zum Einsatz kam eine 40-schichtige Architektur. „Wir fütterten den Algorithmus mit Zehntausenden Krateraufnahmen“, sagt Zambanini. Das Ergebnis: Das Tool übersieht nur mehr wenige Krater. „Die Genauigkeit liegt bei mehr als 90 Prozent.“

„Beim Georeferenzieren lässt sich wohl die meiste – schätzungsweise rund die Hälfte der bisherigen – Zeit einsparen“, bestätigt Florian Egartner nach ersten Tests. Der Grund: Der teilautomatisierte Prozess könne großteils „nebenher laufen“.

Nicht schlecht stehen indes auch die Chancen, dass künftig jeweils weniger Experten über ein- und demselben Bild sitzen müssen: Bei den Analysen gilt üblicherweise das Mehraugenprinzip.

IN ZAHLEN

252 Fliegerbomben und 21 Blindgänger wurden 2015 in Österreich laut Jahresbericht des Entminungsdienstes des Bundesheeres geborgen. Zuletzt eine in der Nähe des Wohnparks Alterlaa in Wien-Liesing.

10 Prozent der im Zweiten Weltkrieg abgeworfenen Bomben waren laut US-Untersuchungskommission USSBS Blindgänger. Heute schlummern noch etwa 10.000 Blindgänger in der Erde, schätzt der Rechnungshof.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2017)

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