Biologie: Andere Welt, gleiches Ohr

(c) AP (Mark Baker)
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Fledermäuse und Wale haben für die Echolokation exakt die gleiche Genvariante entwickelt.

Vor 64Millionen Jahren stiegen manche Säugetiere in die Lüfte, vor 50 Mio. andere ins Wasser. Das brachte beiden, (jagenden) Fledermäusen und Walen, das gleiche Problem: Als die einen in die Dunkelheit der Nacht und die anderen in die der Tiefe vordrangen, mussten sie einen neuen Sinn zur Orientierung und Ortung der Beute/Gefahr entwickeln.

Sie entwickelten auch einen, und zwar den gleichen: Echolokation, bei der Schall in hohen Frequenzen ausgestoßen und die Reflexion aufgenommen wird. Dass es beide tun, ist „konvergente Evolution“, sie ist häufig: Vögel haben Flügel, Fledermäuse haben Flügel, weil man die eben zum Fliegen braucht. Aber beider Flügel sind nach gänzlich verschiedenen Plänen gebaut.

Bei der Echolokation ist das anders, zumindest beim Hören: Die Ohren der Fledermäuse und Wale sind bei den Härchen – sie nehmen Schallwellen auf und verstärken sie – identisch bis ins molekulare Detail. Der Bau der Härchen wird bei allen Säugetieren vom Gen Prestin gesteuert. Bei Fledermäusen und Walen hat es exakt die gleiche Evolution durchlaufen. Wenn man den Stammbaum nur dieses Gens berücksichtigt, sind beide die engsten Verwandten (in Wahrheit sind es bei den Walen Paarhufer). „Ich war geschockt“, berichtet Jianzhi Zhang (University of Michigan), der die Gene verglichen hat: „Das Resultat zeigt, dass es sehr beschränkte Wege gibt – vielleicht nur einen –, in denen Säugetiere hochfrequente Töne hören können“ (Current Biology, 12.1.).

Die Identität ist um so erstaunlicher, als beide anders mit der Echolokation umgehen – im Wasser ist Schall rascher, deshalb senden Wale weiter und in anderen Frequenzen – und die Signale anders erzeugen. Wale tun es mit den Lippen und einem besonderen Knochen in der Mitte des Gesichts, Fledermäuse mit dem Kehlkopf (manche mit der Zunge). Aber auch sie haben noch einen besonderen Knochen, er ist nur so klein, dass ihn Brock Fenton (University of Western Ontario) erst jetzt bemerkte, er verbindet Kehlkopf und Ohr (Nature, 11.1.).

Was kam zuerst?

Und er aktualisiert ein altes Problem. Haben Fledermäuse erst (a) Fliegen erlernt oder (b) Echolokation oder (c) beides zugleich? Letzteres ist schwer vorstellbar, so setzte man zunächst auf (b): Die Tiere seien auf Bäume geklettert, hätten mit Echolokation vorbeifliegende Insekten detektiert und danach gegriffen. Dabei hätten sich die Hände verlängert – bis sie Flügel wurden. Aber: Das Erzeugen des Schalls braucht viel Energie, sitzende Fledermäuse können sie nicht aufbringen, es geht nur im Flug, dann kommt die Energie von den Flügelmuskeln.

Also „Flug zuerst“? Dabei gibt es auch ein Problem – wie sollten sich die Flieger im Dunkeln orientieren? –, aber der Fund der ältesten Fledermaus (52Mio. Jahre) deutete in diese Richtung: Sie hatte nicht die zur Echolokation nötigen Ohren. Das Problem schien geklärt, aber nun hat Fenton auch bei der Urfledermaus den Knochen gefunden. Es kann allerdings auch sein, dass die Struktur trügt und erst beim Fossilieren entstand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2010)

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