Industriedesign: Ein Stift verbindet virtuellen und realen Raum

Das Gerät namens „Holo-Stylus 3D“ ist ein Beispiel für eine sogenannte Mixed Reality (MR), in der sich virtuelle und reale Welt gegenseitig ergänzen.
Das Gerät namens „Holo-Stylus 3D“ ist ein Beispiel für eine sogenannte Mixed Reality (MR), in der sich virtuelle und reale Welt gegenseitig ergänzen. (c) Holo-Light
  • Drucken

Eine in Österreich entwickelte Technologie schafft eine neue Form der Eingabe digitaler Daten. Die „Maus der Zukunft“ ist eine neuartige Lösung für die Interaktion mit Hologrammen und detailgetreues Zeichnen in 3-D.

Wer ein Haus gebaut hat, kennt vielleicht folgende Situation: Der Rohbau steht bereits. Die Einrichtung hat man von einem Experten planen lassen oder selbst auf dem PC oder einem Bogen Papier geplant. Als sie geliefert wird, stellt sich jedoch heraus, dass sie nicht auf Anhieb an den vorgesehenen Platz passt oder das Ergebnis nicht der Vorstellung entspricht, die man sich gemacht hat.

Eine neue technische Lösung soll solche und ähnliche Situationen künftig vermeiden. Es handelt sich dabei um einen speziellen Stift, der im dreidimensionalen Raum eingesetzt werden kann. Das Gerät namens „Holo-Stylus 3D“ ist ein Beispiel für eine sogenannte Mixed Reality (MR), in der sich virtuelle und reale Welt gegenseitig ergänzen. Kombiniert mit einer Datenbrille, erleichtert es der Stift, digitale Inhalte zu erschaffen.
Das Eingabetool, das sich in der Fachwelt einen Namen als „Maus der Zukunft“ gemacht hat, wird analog einer PC-Maus bewegt – allerdings nicht auf einer zweidimensionalen Oberfläche, sondern im dreidimensionalen Raum. Durch seine ausgeprägte Spitze kann es wie ein Zeigegerät, also wie etwa ein Joystick, eine Computer-Maus, ein Lichtgriffel oder ein Touchpad – nur präziser – geführt werden.

Zwei Welten vermischen sich

In Zukunft könne man also mit einer MR-Brille durch den Rohbau gehen und die Küche einfach vor Ort planen, so Gerald Streng. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektmanager am Mechatronik-Fachbereich des Management Center Innsbruck (MCI) und hat den Stift zusammen mit dem Tiroler Start-up-Unternehmen Holo Light entwickelt.

„Mit dem Stift haben Sie ein sehr einfaches Tool zur Bedienung der virtuellen Welt. Sie haben jedoch gleichzeitig die Position und Lage der Kästen oder des Herdes auf den Millimeter genau dokumentiert.“ Eine Anwendungsmöglichkeit dieser Art eines Eingabegeräts ist für Streng naheliegend: So könne der neue Stift im Bereich des Industriedesigns zum Einsatz kommen, um damit komplett virtuell und kostenneutral Designstudien zu erzeugen. „Wenn man beispielsweise vor der Aufgabe steht, ein neues Fahrzeug auf Basis einer älteren Version zu modifizieren, kann man an einem bestehenden Fahrzeug Teile in 3-D hinzuzeichnen und hat sofort ein digitales Modell davon“, sagt Streng. „Dieses Modell kann man dann direkt mit einem 3-D-Drucker realisieren.“

Das Gerät wurde vor wenigen Wochen sowohl mit dem amerikanischen Auggie-Award der Augmented World Expo in Silicon Valley ausgezeichnet als auch mit dem German Innovation Award. Die Herausforderung bei seiner Entwicklung liege in der Einfachheit, sagt Streng. Ein Eingabegerät, das lediglich Mittel zum Zweck sei, solle für den Bediener ohne Einschulung nutzbar sein. Es müsse außerdem eine Schnittstelle zwischen zwei konkurrierenden Welten darstellen und in beiden vertraut und nützlich sein.

„Was wäre hier besser geeignet als die einfachste denkbare Form und Funktion – Stock, Stift, Meißel, Füllfeder und viele andere Geräte, die es der Menschheit seit jeher ermöglichen, Dinge festzuhalten, zu dokumentieren und auf Dinge zu zeigen“, sagt Streng. Er sieht den Einsatz des Stifts vor allem im industriellen Umfeld. Durch die zunehmende Verbreitung von Mixed-Reality-Headsets habe er jedoch auch das Potenzial zum Massenprodukt.

Lexikon

Mixed Reality (MR) oder Vermischte Realität umfasst das Kontinuum aller Stadien zwischen einer realen und einer virtuellen Umgebung. Im engeren (technischen) Sinn handelt es sich dabei um die Vermischung der natürlichen Wahrnehmung eines Nutzers mit einer computererzeugten Wahrnehmung. Virtuelle 3-D-Objekte werden in die reale Welt integriert und interagieren mit ihr, etwa mit Gesten oder Stimmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.