Wann lebte welcher Pharao?

Wann lebte welcher Pharao
Wann lebte welcher Pharao(c) EPA (PETER KNEFFEL)
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Radiokarbon-Datierung – u.a. in einem Labor in Wien – verfeinert die Chronologie der drei Reiche. Aber das extra angelegte Archiv hat Tücken.

Die Ägypter statteten ihre Toten gut aus für die Reise, mit Prunk, aber auch mit Alltagsbedarf, der hinkende König Tutanchamun etwa bekam Gehstöcke, andere bekamen Brot, Samen oder Früchte. Die wurden lange ignoriert – die ersten Ausgräber waren hinter dem Gold und den Juwelen her –, sie kamen allenfalls in hintere Schubladen im Fundus der Museen. Dort holt man sie nun wieder heraus, das Unscheinbarste ist das Wertvollste geworden, der Kohlenstoff in dem organischen Material, der eine exakte Datierung erlaubt: 211 Stücke hat eine internationale Gruppe mit Wiener Beteiligung zusammengetragen, um zeitliche Ordnung in die ägyptischen Dynastien der drei Reiche zu bringen.

Archiv: Früchte und Fasern

Zwar haben Historiker und Ägyptologen aus ihren Quellen Chronologien erarbeitet, aber erstens gibt es konkurrierende, und zweitens sind sie relativ: Sie können die Leben der Pharaonen X, Y und Z miteinander verknüpfen, aber nicht mit letzter Sicherheit sagen, wann sie gelebt haben. Objektive Eichdaten sind rar, auffällige Himmelsereignisse, die aufgezeichnet wurden und rekonstruiert werden können, helfen nur selten. Im Kohlenstoff hingegen – bzw. im Zerfall seines Isotops 14C, den sich die Radiokarbodatierung zunutze macht – ist alles exakt archiviert. Aber das Archiv hat Tücken: „Wir haben nur kurzlebiges Material von Pflanzen genommen, Fasern, Früchte, Körner“, berichtet Eva Wild, Leiterin des 14C-Programms am Vienna Environmental Research Accelerator (Vera), der „Presse“. Denn Langlebiges kann täuschen: Holz etwa kann mehrfach verwendet werden und zu hohes Alter suggerieren.

Auch Knochen können täuschen: Wenn der Kohlenstoff in ihnen aus Ernährung mit Meeresfrüchten stammt, wird die Datierung verzerrt (man kann das korrigieren, aber es ist aufwendig). Bleiben die genannten Objekt, viele Papyri sind dabei, auch Rattenkot half einmal aus. Alles wurde Gräbern entnommen, die in der historisch-ägyptologischen Chronologie genau zuordenbar sind: So kamen alle Reiche zusammen (die Zwischenperioden nicht), das brachte vor allem im Alten Reich einige Korrekturen, etwa bei Djoser von der 3. Dynastie (Science, 328, S.1554).

Ungeklärt: Explosion Theras

Beim Neuen Reich hingegen stimmt die 14C-Chronologie mit der historisch-ägyptologischen gut überein: „Es begann 1570 bis 1544 vor Christus.“ Damit bleibt allerdings eines der großen Rätsel offen, das des Ausbruchs des Vulkans Thera (heute: Santorin). Der war so gewaltig, dass er die von den Minoern beherrschte Insel zerriss, der folgende Tsunami beeinträchtigte wohl auch das Stammland der Minoer, Kreta. Aber wann war er? Laut historisch-ägyptologischer Chronologie – die nun von der 14C-Chronologie bestätigt wird –, fand er zu Beginn des neuen Reichs statt, frühestens 1570 v.Chr. Aber nach früheren 14C-Datierungen des Ausbruchs mit Material aus der Ägäis und direkt von Santorin – an denen Wild auch beteiligt war – war er früher, spätestens 1600 v.Chr. „Da gibt es einen Widerspruch“, konzediert die Forscherin, „er ist noch nicht geklärt.“

Vielleicht ist er weiteren Tücken der Radiokarbonmethode geschuldet: „Das jetzige Ergebnis ist beachtenswert und deckt sich gut mit unserer historischen Chronologie“, erklärt Manfred Bietak, Emeritus der österreichischen Ägyptologie, „aber man sollte sich nicht narren lassen: Der Ausbruch von Thera dürfte zu Beginn des neuen Reichs und nicht früher erfolgt sein.“ Das zeigen vor allem gemeinsame Handelsverbindungen anhand von Keramik. Und das 14C? „Alle jetzt verwendeten Proben stammen aus trockenen Gebieten Ägyptens. Radiokarbon des Nildeltas und der Ägäis könnten infolge anderer Bedingungen andere Ergebnisse bringen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2010)

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