Tourismusforschung

Die Zeiten für neue Ski-Infrastruktur sind vorbei

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Symbolbild. (c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Wie kann in touristischen Regionen nachhaltig mit Natur und Kultur umgegangen werden? Ein Projekt nimmt die drei Regionen Wagrain-Kleinarl, Wolfgangsee und Berchtesgadener Land genauer ins Visier.

Konflikte zwischen der einheimischen Bevölkerung und der Tourismuswirtschaft machen immer wieder Schlagzeilen: Neue Skilifte, größere Speicherseen für künstliche Beschneiung, verstopfte Straßen, fehlende Parkplätze und noch mehr Zweitwohnsitze stoßen zunehmend auf Widerstand. Auch die Gäste reagieren skeptisch auf die Zerstörung der Natur.

Zwischen den Saisonen

„Wir müssen einen Ausgleich zwischen der touristischen Nutzung und der Erhaltung des Natur- und Lebensraumes für die in den Regionen arbeitenden Menschen schaffen“, so Herta Neiß von der Johannes Kepler Universität Linz. Die Leiterin des MBA-Studienganges Tourismusmanagement beteiligt sich am Interreg-Forschungsprojekt zur Frage, wie Tourismusregionen auf die Folgen des Klimawandels reagieren können.

Eine durch schneearme Winter kürzer werdende Wintersportsaison und eine wachsende Zahl von Sommertouristen zwingen dazu, die Zwischensaison attraktiver zu machen. „Ziel des Projektes ist es, gemeinsam Strategien für eine nachhaltige Entwicklung des Alpentourismus zum Erhalt natürlicher und kultureller Lebensräume zu erarbeiten, die sowohl von der Tourismuswirtschaft mitgetragen werden, als auch bei der einheimischen Bevölkerung Akzeptanz finden“, erklärt Neiß.

Gemeinsam mit der Fachhochschule Salzburg und der Forschungseinrichtung Salzburg Research sowie den Tourismusverbänden von Wagrain-Kleinarl, Wolfgangsee und dem Berchtesgadener Land wird für Tourismusdestinationen in Oberösterreich (Wolfgangsee), Bayern (Berchtesgadener Land) und Salzburg (Wagrain-Kleinarl) ein grenzüberschreitendes Modell erarbeitet. Dabei werden auch die Erreichbarkeit von Destinationen untersucht sowie geeignete Besucherlenkungsmaßnahmen entwickelt, um saisonale Spitzenbelastungen zu entzerren. Die drei ausgewählten Regionen weisen unterschiedliche Spezifika auf: Während Wagrain-Kleinarl vom Skitourismus geprägt ist, lebt die Region Wolfgangsee von ihrem Image als Sommerfrische. Das Berchtesgadener Land spricht zudem als Kur- und Thermenregion klassische Erholungssuchende an.

Die Kultur mit ins Boot holen

In den drei Tourismusgebieten sollen nach einer Analyse des Ist-Zustandes Bevölkerung und Entscheidungsträger befragt werden – auch um zu erfahren, wie groß deren Bereitschaft zu Veränderungen ist. Danach werden Workshops mit den Stakeholdern veranstaltet und schließlich Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Regionen herausgearbeitet. So sollen Erfolgsfaktoren für einen zukunftsfähigen Qualitätstourismus gefunden werden.

In der Region Salzkammergut wird Bad Ischl als Kulturhauptstadt von 2024 mit dem Thema Nachhaltigkeit einbezogen. In diesem Zusammenhang wird auch die Problematik des „Overtourism“ Beachtung finden. Gerade im Salzkammergut gelingt die Verbindung von Natur und Kultur in hohem Maße, weil Touristen dort die „Urlaubsregion des Kaisers“, das „Weiße Rössl“ und ähnliche Klischees erwarten und darauf bezogene Angebote nutzen. „Wir müssen die Kultur mit ins Boot holen“, sagt Neiß. „Allerdings müssen die Kulturangebote erlebnisorientiert werden.“

Die modernen Touristen suchten „echte und authentische“ Erlebnisse: „Ein aktueller Trend zeigt, dass Touristen nicht einfach nur auf Urlaub fahren wollen, sondern am Leben der einheimischen Bevölkerung teilhaben möchten. Und das müssen wir in Zukunft bieten“, erklärt Neiß. Dann könne ein Ausgleich zum immer teureren und zahlenmäßig zurückgehenden Skitourismus geschaffen werden. „Diejenigen, die weiter nur Liftanlagen bauen wollen, produzieren am Konsumenten und am Wetter vorbei!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2020)

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